Flüchtlinge in Berlin
Ärztekammer kritisiert "prekäre" Zustände
Die Situation der Flüchtlinge in Berlin spitzt sich zu. Als "katastrophal" schildern Ärzte die Lage vor der Aufnahmebehörde - vor allem die hygienischen Bedingungen und die medizinische Versorgung bereiten Probleme.
Veröffentlicht:BERLIN. "Die Zustände machen sprachlos. Sie erinnern eher an ein Flüchtlingslager in einem Drittweltland als an die Hauptstadt. Die Lage ist beschämend für uns alle."
Internist Dr. Peter Bobbert, der dem Vorstand der Ärztekammer Berlin angehört, findet im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung" klare Worte.
Die Ärztekammer erreichen nach seinen Angaben immer mehr Anrufe in dieser Sache. Sie hat sich ihrerseits nun an Sozial- und Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) und das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) gewandt und dort Unterstützung angeboten. "Wir sehen uns als Ärztekammer in der Pflicht zu helfen", sagte Bobbert.
Seit Wochen kommen täglich mehr als 100 neue Flüchtlinge nach Berlin, die einen Asylantrag stellen wollen. Das zuständige LaGeSo ist damit überfordert: Die Flüchtlinge müssen teilweise tagelang warten, viele von ihnen campen in der Nähe des Amtes.
Medizinische Versorgung fehlt oft
Bis zu ihrer Registrierung müssen sie jedoch ohne ausreichende behördliche Unterstützung ausharren, kritisiert die Kammer. Dies führe zu Obdachlosigkeit und fehlender medizinischer Versorgung der zum Teil schwer traumatisierten und kranken Flüchtlinge.
Am 17. August hat erstmals ein Krisenstab des Landes Berlin unter Czajas Leitung getagt. Geplant ist nun, dass im Norden und Süden der Hauptstadt zwei weitere Stellen zur Entgegennahme von Asylanträgen geschaffen werden, um das LaGeSo zu entlasten.
Die Ärzte halten jedoch kurzfristige Hilfe für nötig. Die hygienischen Bedingungen in den spontan entstandenen Camps rund um das LaGeSo bezeichnet die Kammer als "prekär und beispiellos".
Eine Behandlung der Asylsuchenden gemäß der EU-Aufnahmerichtlinie 2013/33 sei unter diesen Bedingungen nicht einmal ansatzweise möglich.
Die Richtlinie verlangt, dass eine besondere Schutzbedürftigkeit von antragstellenden Asylbewerbern erkannt wird. Eine schnelle Identifizierung dieser Menschen fordert auch die Kammer.
Von regulärerer Grundversorgung ausgeschlossen
Von der regulären medizinischen Grundversorgung sind die Flüchtlinge ausgeschlossen, solange sie keinen Asylantrag gestellt haben. Denn eine Gesundheitskarte erhalten sie erst bei der Antragstellung. Vor Ort ist von offizieller Seite nach Kammerangaben nur die medizinische Versorgung von Notfällen gewährleistet.
Unter den vielen freiwilligen Helfern befinden sich zwar auch etliche Ärzte. Doch Bobbert sagt: "Die Basisversorgung ist nicht gewährleistet."
Gebraucht würden vor allem Allgemeinmediziner, Gynäkologen, Kinderärzte, Dermatologen und Psychiater für die traumatisierten Flüchtlinge. Die Kammer fordert, dass das LaGeSo unverzüglich eine ausreichende primärärztliche Versorgung ganztägig direkt bei den Flüchtlingen auf dem Gelände des LaGeSo organisiert.
Auch ein Medikamentenbudget, das eine adäquate medizinische Versorgung ermögliche, müsse bereitgestellt werden. Zudem sei die ausreichende Versorgung mit Nahrungsmitteln, Getränken und Hygiene- und Babyartikeln zu gewährleisten. Das geschieht nach Bobberts Schilderungen derzeit vor allem durch das ehrenamtliche Engagement der Berliner.
"Schnelles Handeln erforderlich"
Außerdem fordert die Kammer, dass deutlich mehr Toilettenanlagen, Waschgelegenheiten und Duschen aufgestellt werden.
Die Ärztekammer Berlin hat das Land Berlin nun aufgefordert, mit diesen Maßnahmen die unhaltbaren medizinischen und hygienischen Zustände für die neu ankommenden Flüchtlinge zu beenden. "Die Verantwortung hierfür liegt bei den staatlichen Institutionen. Die angespannte Situation erfordert schnelles Handeln", so die Kammer.
Sie stehe mit der von ihr vertretenen Ärzteschaft zur Verfügung, Hilfe zu leisten und Unterstützung zu bieten, um unbürokratisch die humanitäre Not der Flüchtlinge in Berlin schnellstmöglich zu beenden.