Harsche Kritik
Ärztetag lässt kein gutes Haar am Versorgungsgesetz
Auf dem Ärztetag hadern die Ärzte mit den aktuellen Gesetzesvorhaben der großen Koalition. Im Zentrum der Kritik aber steht das geplante Versorgungsstärkungsgesetz.
Veröffentlicht:FRANKFURT/MAIN. Die Ärztetags-Delegierten fordern vielfältige Änderungen an aktuellen Gesetzgebungsvorhaben der Koalition. Im Zentrum der Kritik aber steht das geplante Versorgungsstärkungsgesetz (VSG).
Zum Auftakt ihrer Beratungen nahmen die Delegierten am Dienstag die als Überregulierung wahrgenommene Kleinteiligkeit des VSG aufs Korn.
Mit dem geplanten Zwangsaufkauf von Vertragsarztsitzen, der Einrichtung von Terminservicestellen und der Zweitmeinungsregelung werde "massiv in die Kompetenzen der ärztlichen Selbstverwaltung" eingegriffen, heißt es in einem Antrag des Vorstands der Bundesärztekammer.
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Ein obligates Terminmanagement rufe vor allem kommerzielle Anbieter auf den Plan, die von Delegierten in einem Antrag abgelehnt wurden. Die Offenbarung von Details über den Krankheitszustand eines Patienten, die wichtig sind für die Beurteilung der Dringlichkeit, führe zu erheblichen Datenschutzproblemen, warb die Hamburger Delegierte Dr. Silke Lüder für ihren Antrag.
Abgelenkt von den personellen Turbulenzen in der KBV, haben sich fast unbemerkt von der Öffentlichkeit einige Verbände dem Spitzenverband Fachärzte Deutschlands (SpiFa) angeschlossen.
Warum, erklärt Dr. Hans-Friedrich Spies vom Bundesverband Deutscher Internisten (BDI) im Video-Interview (oben zu sehen). Zudem übt auch er Kritik am VSG: Die Politik nehme den Facharztmangel nicht wahr, die ambulante spezialfachärztliche Versorgung (ASV) zerbrösele in den Mühlen der Selbstverwaltung.
Niederlage für Allgemeinärzte
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Eine Niederlage mussten Allgemeinärzte mit Blick auf Kompetenzzentren hinnehmen, in denen Allgemeinärzte in Weiterbildung begleitet werden sollen. Das VSG sieht ausdrücklich eine finanzielle Förderung dieser Zentren vor. Doch eine Mehrheit der Delegierten forderte, die Zuständigkeit der Kammern für die Weiterbildung dürfe nicht durch andere Strukturen ersetzt werden.
Beim Präventionsgesetz sehen sich Ärzte bei der neu zu schaffenden Präventionskonferenz am Katzentisch. BÄK und KBV sind dort bislang nicht vorgesehen, damit sei der Einbezug ärztlichen Sachverstands nicht gewährleistet, heißt es.
Überarbeitungsbedarf wird zudem bei der Klinikfinanzierung und beim Fallpauschalensystem gesehen. Angeregt wird eine öffentliche Anhörung zu den Folgen der DRG durch das Bundesgesundheitsministerium. Das DRG-System habe zu einem "Primat der Ökonomie" geführt, durch das zunehmend auch in medizinische Entscheidungen eingegriffen werde.
Unzufrieden zeigten sich die Delegierten beim Thema Schutzimpfungen: Bei der Eliminierung von Masern und Röteln trete "Deutschland auf der Stelle", heißt es unter Verweis auf den aktuellen Masern-Ausbruch. Gefordert wird der Nachweis eines vollständigen Impfschutzes gemäß STIKO-Empfehlungen als Voraussetzung für den Besuch einer Kita oder Schule.
Vehement wehren sich Delegierte in mehreren Anträgen gegen eine Schwächung der ärztlichen Schweigepflicht. Derartige Forderungen waren mit Blick auf den erkrankten Copiloten der abgestürzten Germanwings-Maschine erhoben worden.
Unabhängig von der Art der Erkrankung müsse jeder Patient die Sicherheit haben, dass seine Gesundheitsdaten nicht ohne seine Zustimmung an Dritte weitergegeben werden, heißt es.
In der Debatte mahnte der MB-Chef und CDU-Bundestagsabgeordnete Rudolf Henke zur Mäßigung bei der Tonlage der Kritik. Je schärfer der Ton gegenüber der Politik ausfalle, desto geringer sei die Chance, dass die Politiker zuhörten, erklärte er. (fst/jvb)