Bachelor und Master in der Medizin - schon ein Modellversuch mobilisiert Widerstand

Medizin "light" oder Durchbruch zum besseren Studium? Am Plan, in Oldenburg und Groningen einen europäischen Bachelor- und Master-Studiengang für Medizin einzurichten, scheiden sich die Geister.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
Bachelor und Master in der Medizin - schon ein Modellversuch mobilisiert Widerstand

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Es wäre in Deutschland die erste medizinische Fakultät mit dem neuen von der EU geforderten System. Am Montag diskutiert der Wissenschaftsrat, der das Projekt begutachtet, über die Frage der Approbation der deutsch-holländischen Absolventen. Der Streit indessen dreht sich um weit mehr Aspekte.

Und das ist der Plan: die Gründung der Medizinische Fakultät in Oldenburg, der European Medical School Oldenburg - Groningen (EMS) und des Universitätsklinikums Oldenburg (UKO) aus drei Oldenburger Krankenhäusern.

Ein Pro des Modells sind seine günstigen Kosten

40 Studenten pro Semester sollen nach drei Jahren den Bachelor erwerben können, um etwa in Krankenkassen oder Verbänden zu arbeiten. Nach drei weiteren Jahren einen Doppelabschluss: der deutsche "Master of Science" und der holländischen "Master in Geneeskunde". Die Kosten von rund elf Millionen Euro pro Jahr liegen nach Angaben der Uni Oldenburg deutlich unter den Kosten anderer Fakultäten. Einer der Gründe: Das Lehrpersonal kommt zum Teil aus dem Oldenburger Uniklinikum. Die Kosten sollen aus dem Portemonnaie des Landes beglichen werden.

"Schmalspur-Ärzte", "Discount-Studium" - seit Oldenburg sich um das Projekt bemüht, hagelt es Kritik. Dass das Medizinstudium reformiert werden muss, bezweifeln zwar immer weniger Fakultäten. Auch die Berliner Charité hat einen Reformstudiengang eingeführt, ebenso die Universitäten in Aachen, Dresden oder die Medizinische Hochschule Hannover (MHH). Aber die Fakultäten wollen keine Bachelor- und Master-Studien als Mittel der Wahl. Und nicht nur sie.

Mit dem Bachelor werde "ein halbmedizinischer Zwischenberuf geschaffen, für den im Medizinbetrieb keine Verwendung ist", erklärte schon der Deutsche Ärztetag 2007. Die Arbeitsgemeinschaft Hochschulmedizin hat eine Resolution mit gleichem Tenor verfasst. Auch der medizinische Fakultätentag schießt gegen die Oldenburger Pläne. Karsten Scholz, Justiziar der Niedersächsischen Ärztekammer (ÄKN), wundert sich: "Kommen beim Bachelor dann Arzt-Assistenten raus?"

Nach den jüngsten Studentenprotesten fühlen sich die Kritiker des Reformstudiums gestärkt - allerdings: auch die Befürworter. "Die Proteste richteten sich gegen jene Verschulung, unter der das herkömmliche Medizinstudium leidet", sagt etwa Professor Reto Weiler von der Uni Oldenburg. "Der Vorwurf der Schmalspurmedizin ist nur ein Abwehr-Argument", so Weiler. "Wir stecken doch die meisten in die Tasche!" Zudem hofft man in Oldenburg auf den Gewohnheitseffekt im potenziell unterversorgten Nordwesten. Professor Rudolf Raab vom Klinikum Oldenburg: "Wer in der Region ausgebildet ist, bleibt auch in der Region."

Indessen kommt die Kritik auch aus der Ecke der Hochschulpolitik. So fehlen in Göttingen 75 Plätze pro Semester für die klinische Ausbildung. Deshalb absolvieren seit Oktober 2009 zehn Göttinger Studenten ihre klinischen Semester in den Helios-Häusern Berlins, wie Professor Cornelius Frömmel, Dekan der medizinischen Fakultät in Göttingen, berichtet. In Zukunft sollen 80 Studenten außerhalb ausgebildet werden - 20 von ihnen in Oldenburg. Voraussetzung: Der neue Studiengang an der EMS muss scheitern, sonst braucht man in Oldenburg die Plätze selber. "Wenn Oldenburg nicht durchkommt, stehen wir sofort auf der Matte", kündigt der Dekan denn auch an. Zugleich dürfte Göttingen und Hannover in Oldenburg eine reformorientierte Konkurrenz erwachsen.

In der Tat bietet die MHH bereits den Reformstudiengang "Hanibal". Zudem würde die EMS unschlagbar günstig arbeiten. Laut Dr. Volker Hildebrandt vom Fakultätentag bezuschussen die deutschen Länder im Durchschnitt 84 Medizinprofessoren pro Fakultät mit je einer Million Euro. Ob der enorme Kostenunterschied zur EMS auf schlechtere Qualität der Oldenburger hinweist oder auf ihr clevereres Konzept zurückzuführen ist, bleibt freilich umstritten.

Werden deutsche Standards unterlaufen?

Ein Trumpf der Kritiker ist die Frage der Approbation. Die EMS-Studenten könnten mit dem "Master in Geneeskunde" in Holland ihre Approbation erhalten, die laut EU-Richtlinie 2005/36/EG auch hierzulande die Ausübung des Arztberufs ermöglicht. Ein legaler Weg.

Aber Dr. Volker Hildebrand vom MFK kritisiert den Weg über Holland im "Niedersächsischen Ärzteblatt" als "Franchiseausbildung" und nannte das Approbationsprocedere ein "Unterlaufen der Qualitätsstandards der Bundesärzteordnung, der Ärztlichen Approbationsordnung und des Staatsexamens".

Wie sich der Wissenschaftsrat nun zur EMS und zur Approbation ihrer Absolventen stellt, erfährt die Öffentlichkeit im Juni. Rechtlich bindend ist seine Meinung allerdings nicht - am Schluss muss das Land Niedersachsen selbst entscheiden.

Der Bologna-Prozess

Im Zuge des so genannten Bologna-Prozesses arbeiten 29 europäische Staaten daran, ihre Hochschulausbildungen zu harmonisieren. Eine entsprechende Erklärung unterzeichneten die Bildungsminister im Jahr 1998 in Bologna/Italien.

Darin geht es unter anderem um die gegenseitige Anerkennung der Examina und darum, vergleichbare Studiengänge zu schaffen: die in Deutschland derzeit umstrittenen Bachelor- und Master-Studiengänge. Ziel des Prozesses ist es unter anderem, die Studenten mobiler zu machen. Bis zu diesem Jahr soll der Bologna-Prozess abgeschlossen sein. In Deutschland ist die Studienreform weitgehend umgesetzt. Die meisten medizinischen Fakultäten setzen aber auf die herkömmliche Form des Studiums oder Reformstudiengänge in Eigenregie.(cben)

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Eine Chance für Kreativität!

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