Patientenberatung

Bieter und Kassenverband beharken sich

Dem Verfahren um die Vergabe der Patientenberatung drohen zähe Auseinandersetzungen.

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BERLIN. Rund um die Vergabe der unabhängigen Patientenberatung bahnen sich Auseinandersetzungen der Bieter untereinander und zwischen Bietern und dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen an.

Die Betreiber der bisherigen unabhängigen Patientenberatung (UPD) haben über ihre Anwälte die Vergabeentscheidung des Spitzenverbandes gerügt.

Aus dem Schreiben, das der "Ärzte Zeitung" vorliegt, geht hervor, dass die Entscheidung für den Duisburger Gesundheitsdienstleister Sanvartis gefallen sein dürfte. Bislang üben der Verbraucherzentrale Bundesverband, der VdK und mehrere kleinere Anbieter diesen gesetzlichen Auftrag aus.

Zeitfrist verstrichen

In deren Auftrag beanstanden die Anwälte, dass Sanvartis "nicht wegen fehlender Eignung vom Vergabeverfahren ausgeschlossen wurde". Konkret werfen die Mitbewerber Sanvartis vor, nicht im Interesse der Verbraucher tätig zu sein, sondern Geschäfte mit der Gesundheit zu machen.

Wenn es zutreffe, dass das Unternehmen in seiner Bewerbung mittels interner Verrechnungen mögliche Gewinne aus der Patientenberatung verschleiert habe, müsse "das gesamte Vergabeverfahren aufgrund der manipulativen Züge wegen eines Verstoßes gegen die grundlegenden Prinzipien der Fairness und Transparenz" aufgehoben werden, heißt es in dem anwaltlichen Schreiben.

Bis Mittwoch, 12 Uhr, hatte die Berliner Anwaltskanzlei Joussen & Schranner dem Spitzenverband Zeit gegeben, auf die Rüge zu reagieren. Ob dies geschehen ist, wollte unter Verweis auf das schwebende Vergabeverfahren keine der beiden Seiten am Mittwoch bestätigen.

Eine mögliche Vergabe der für sieben Jahre mit 63 Millionen Euro dotierten unabhängigen Patientenberatung an den Duisburger Dienstleister, der unter dem Dach der Vendus Gruppe agiert, hatte schon in der vergangenen Woche heftige Reaktionen ausgelöst.

"Entsetzt" zeigten sich die Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats der UPD. Enttäuscht sei man vom Patientenbeauftragten Staatssekretär Karl-Josef Laumann (CDU), der das Ziel verfolge, die unabhängige und neutrale Patientenberatung in ein kassennahes Call-Center umzuwandeln.

Hintergrund des Vorwurfes sind die bisherigen Aktivitäten von Sanvartis für gesetzliche Krankenkassen und Unternehmen der Pharmaindustrie.

Auch die Bundesärztekammer und die Kassenärztliche Bundesvereinigung haben sich gegen eine "Patientenberatung, die von einem Callcenter betrieben werden soll", ausgesprochen.

Kritik auch an bisherigen Betreibern

Auch in der Koalition selbst ist das Thema heiß: "Große Sorge über die Vergabeentscheidung des GKV-Spitzenverbandes und des Patientenbeauftragten, Karl-Josef Laumann", äußerte die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Hilde Mattheis.

Bewährte und vertraute Strukturen dürften nicht einfach wegbrechen, teilte Mattheis mit. Die SPD hatte sich zu Beginn der Legislaturperiode für eine Verlängerung des Förderzeitraums auf sieben Jahre und eine Anhebung der Fördermittel auf neun Millionen Euro im Jahr mit Erfolg stark gemacht.

Kritik gibt es aber auch an den bisherigen Betreibern, deren Mandat am 31. Dezember dieses Jahres endet. 80.000 Beratungen im Jahr seien zu wenig, heißt es in Berliner Kreisen. Die Beratungsstellen seien schwer zu erreichen und müssten häufiger angewählt werden.

Das Berliner IGES-Institut, das die UPD evaluiert, hatte in einem Zwischenbericht 2013 festgestellt, dass im Schnitt 2,5mal gewählt werden müsse, um eine Beratungsstelle zu erreichen. Damit sei die Erreichbarkeit "akzeptabel". Dies gelte vor allem für die regionalen Beratungsstellen.

Es gebe allerdings Hinweise auf Aus- und Überlastung der bundesweiten Hotline. Die Autoren zeichnen ein eher positives Bild der Beratung durch die UPD.

Die Einspruchsfrist gegen die Vergabe endet am Sonntag um Mitternacht. Ein Verfahren vor der Kammer könnte mehrere Wochen dauern. (af/fst)

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Kommentare
Peter Friemelt 16.07.201516:47 Uhr

"Schlechte" Erreichbarkeit der bisherigen UPD-Beratung?

Meines Wissens hat die jetzige UPD den Antrag auf Erhöhung der Mittel genau damit begründet, dass die bisherigen Gelder nicht reichen, um allen Anfragen am bundesweiten Telefon gerecht zu werden.
Das Gesetz wurde zum 1.1.2016 geändert, die Mittel wurden 5,2 auf 9 Mio pro Jahr erhöht und deshalb könnte die alte UPD nun leicht alle Ratsuchenden auch an bundesweiten Telefon beraten.
Die bisher von den Ratsuchenden besonders gelobte regionale und persönliche Beratung hatte schon bisher nicht mit diesen Engpässen zu kämpfen.
Wie auch immer:
Der Kassenspitzenverband und Laumann wollen nun aber lieber von den gemeinnützigen, unabhängigen Trägern weg hin zu einem kommerziellen Callcenter ohne Erfahrung in der Verbraucher- und Patientenberatung. Im Gesetz steht aber eindeutig, dass dies Bedingung ist.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Friemelt

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