Gestohlene Krebsmedikamente

Bund sieht bei Pharmaskandal vorerst Landesbehörden am Zug

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BERLIN / POTSDAM. Wer übernimmt die Verantwortung im Skandal um den Handel mit gestohlenen Krebsmedikamenten? Vorerst sieht der Bund hier die für die Aufsicht zuständigen Länder in der Pflicht. Das bundeseigene Paul-Ehrlich-Institut unterstütze die Landesbehörden, teilte das Bundesgesundheitsministerium in Berlin am Freitag auf Anfrage mit.

Man beobachte die Aufklärung sehr genau. Vor möglichen weiteren Schritten sei aber die Aufklärung vor Ort abzuwarten. Das Bundesinstitut prüft unter anderem Krebsarzneimittel im Rahmen der Zulassung. Nähere Angaben zur Amtshilfe für die Länder wurden dort auf Anfrage nicht gemacht.

Patienten bundesweit betroffen

Im Pharmaskandal um um das brandenburgische Pharmaunternehmen Lunapharm, das in Griechenland gestohlene Krebsmedikamente an deutsche Apotheken gelieferet haben soll, lag der Fokus lange auf Brandenburg. Jetzt wird klar, dass fragliche Medikamente bei Patienten auch in anderen Bundesländern landeten.

Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke hatte bereits am Donnerstag eine umfassende Aufklärung zugesagt. Es müsse geklärt werden, was bei der Aufsicht und Kontrolle schief gelaufen sei, sagte der SPD-Politiker in einer erneuten Sondersitzung des Gesundheitsausschusses des Landtags in Potsdam.

Mehrfach verwies er darauf, dass der in zwei Wochen erwartete Untersuchungsbericht der eingesetzten Expertenkommission abgewartet werden müsse. In dem Skandal sollen die brandenburgischen Behörden jahrelang trotz vorliegender Hinweise auf einen illegalen Medikamentenhandel des Unternehmens Lunapharm nicht durchgegriffen haben.

Noch unklar, ob die Krebsmedikamente unwirksam waren

Allein im Raum Berlin-Brandenburg bekamen mindestens 220 Patienten die in Frage stehenden Medikamente – über drei Berliner Apotheken, wie ein Sprecher der Gesundheitsverwaltung der Hauptstadt erklärt hatte. Das gesamte Ausmaß ist aber noch unklar, ebenso wie die Frage, ob die Krebsmedikamente womöglich unwirksam waren.

Auch eine Reihe anderer Bundesländer ist betroffen. Auf Anfragen der Deutschen Presse-Agentur gab es am Donnerstag entsprechende Antworten von Behörden in Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz, Hessen, Bayern und Mecklenburg-Vorpommern.

Aus anderen Bundesländern lagen zunächst keine Rückmeldungen vor. Aus Schleswig-Holstein hieß es, mindestens zwei Patienten seien betroffen, bei diesen gebe es aber keine auffälligen Befunde. In Bayern wurden laut Angaben mehr als 330 betroffene Arzneimittelpackungen an Apotheken ausgeliefert.

Von einem „sehr geringen Umfang“ an Lieferungen mit den Medikamenten war in Rheinland-Pfalz die Rede. In Mecklenburg-Vorpommern erhielt eine Apotheke über einen bayerischen Großhändler die betroffenen Medikamente. Und in Hessen bekamen insgesamt drei Apotheken Lieferungen – es geht um insgesamt 15 Packungen.

Rückendeckung für Gesundheitsministerin Golze

Der Chef der vom Brandenburger Gesundheitsministerium eingesetzten Expertenkommission, Ulrich Hagemann, sagte vor dem Ausschuss in Potsdam, es sei seiner Meinung nach wahrscheinlich, dass die Medikamente in guter Qualität an die Patienten gegangen seien. Es sei auch nicht richtig, dass immer eine Kühlkette eingehalten werden müsse.

 Unterdessen stellte sich Woidke hinter seine Gesundheitsministerin Diana Golze (Linke). „Momentan hat Frau Golze mein vollstes Vertrauen“, sagte er im Ausschuss.  (dpa)

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