Zu neugierig
Bundesdatenschützer rüffelt Kassen
Bohrende Fragen zum Krankengeld: Wenn Patienten arbeitsunfähig werden, schauen die Krankenkassen genau hin - und verschicken Fragebögen. Doch einige gehen dem Datenschutzbeauftragten deutlich zu weit.
Veröffentlicht:NEU-ISENBURG (chb). Wenn es ums Krankengeld geht, sind dem Bundesbeauftragten für Datenschutz, Peter Schaar, viele Kassen zu neugierig.
"Da werden medizinische Daten abgefragt, die mit dem Bezug des Krankengeldes überhaupt nichts zu tun haben", kritisiert Dietmar Müller, stellvertretender Sprecher des Bundesdatenschutzbeauftragten.
Dazu zählen Fragen nach familiären Verhältnissen, Urlaubsplänen oder dem Verhältnis zum Arbeitgeber, so Müller. Ins Visier des Datenschützers sind Kassen aller Größenordnungen geraten.
Das Problem sei aber nicht neu, nur jetzt wieder akut, sagt Müller. Der Datenschutzbeauftragte habe schon in seinem Tätigkeitsbericht 2005/2006 ein solches Vorgehen der Kassen kritisiert.
Warum sich die Eingaben wieder häuften, sei nicht klar. "Das kann mit den Fusionen der Kassen zusammenhängen", vermutet Müller. "Die tauschen möglicherweise ihre Erfahrungen aus."
Welche Kassen genau in der Kritik stehen, wollte er nicht sagen, weil ihnen erst Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden soll.
Zur Erhebung berechtigt
Nach Angaben von Müller sehen außer dem Datenschutzbeauftragten auch das Bundesgesundheitsministerium und das Bundesversicherungsamt das Verhalten der Kassen kritisch.
Als schärfste Waffe stehe den Datenschützern eine Beanstandung zur Verfügung. Kassen, die von ihrem Vorgehen nicht abrücken wollten, würden im nächsten Tätigkeitsbericht namentlich genannt. Das sei keine gute Reklame.
Nach Auskunft des GKV-Spitzenverbandes ist der Einsatz von Selbstauskunftsfragebögen in Einzelfällen und unter bestimmten Voraussetzungen zulässig.
Das sei am 18. Februar 2010 in einem Gespräch mit dem Gesundheitsministerium und dem Datenschutzbeauftragten vereinbart worden.
Diese Bögen sollen den Kassen helfen, einen ersten, möglich objektiven Eindruck der Situation zu erhalten, die zur Arbeitsunfähigkeit geführt habe.
Auch habe das Bundessozialgericht im April 2009 entschieden, dass Krankenkassen "zur Erhebung, Speicherung und Verarbeitung von Sozialdaten berechtigt sind, soweit diese zur Prüfung der Leistungspflicht und der Gewährung von Leistungen an Versicherte erforderlich sind", so der Spitzenverband.