Wehrbericht
Bundeswehr verwaltet den ärztlichen Mangel
Große Not bei der medizinischen Versorgung in der Bundeswehr. Seit Jahren sind Arztstellen unbesetzt. Jetzt schellt der Wehrbeauftragte die Alarmglocken: Er spricht von einer Verwaltung des Mangels - und sieht die Qualität in den Kliniken gefährdet.
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Kdo SES an der Sanitätsakademie in München: Sag mir, wo die Ärzte sind ...
© Andreas Gebert / dpa
BERLIN. Fehlende ärztliche Fachkräfte, geschlossene Stationen in Bundeswehrkliniken und keine adäquate Praxis-EDV: Die Mängelliste des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages Hellmut Königshaus mit Blick auf den Sanitätsdienst ist lang.
"Insgesamt kann angesichts der gerade noch ausreichenden Sicherstellung der truppenärztlichen Versorgung nur von Mangelverwaltung gesprochen werden. Es ist nicht erkennbar, auf welche Weise das Bundesministerium der Verteidigung die Probleme lösen will", heißt es im Bericht des Wehrbeauftragten, den der FDP-Politiker Königshaus am Dienstag in Berlin vorgestellt hat (Drs. 18/300).
Seit Jahren prangern er und seine Amtsvorgänger die Personalnot im Sanitätsdienst der Bundeswehr an - doch geschehen ist bislang wenig. Zwar konnten laut Bericht rund 300 neue Medizin-Studienplätze geschaffen, sowie 70 Seiteneinsteiger und 30 ehemalige Musterungsärzte für den Sanitätsdienst gewonnen werden.
Dennoch seien etwa 400 Dienstposten "mit Schwerpunkt in der einsatzrelevanten klinischen Intensiv- und Notfallversorgung nicht besetzt."
Königshaus widerspricht in seinem Bericht den positiven Darstellungen des Verteidigungsministeriums zur Entwicklung der Personalsituation: Immer noch werde mit Patientenzahlen und Krankheitsfällen von 2007 gerechnet, die stärkere Einbindung in die zivile Rettungsversorgung werde im Stellenplan "noch nicht hinreichend berücksichtigt".
Gleichzeitig orientiere sich das Konzept der Bundeswehrkliniken immer mehr am Bedarf der zivilen Regelversorgung, ein Konzept für "den einzurichtenden klinischen Systemverbund der verbleibenden Krankenhäuser" gibt es noch nicht.
Ein Viertel der Truppendienstarztposten nicht besetzt
Auch bei den Fachkräften für den Operations- und Intensivbereich sowie bei Rettungsassistenten und Einsatzsanitätern fehle es an Personal. Teures medizinisches Gerät könne nicht genutzt werden, der hohe Qualitätsstandard der Bundeswehrkrankenhäuser werde gefährdet.
Die EU-Arbeitszeitrichtlinie, die bei Schicht- und Nachtdiensten entsprechende Pause- und Ruhezeiten vorschreibt, werde weiter nicht angewandt. Die Richtlinie besteht seit 2003, das Bundesverfassungsgericht hat im Dezember 2011 festgestellt, sie gelte ebenso für Soldaten.
Grundlegende Strukturprobleme sieht Königshaus bei der truppenärztlichen Versorgung, die auch als "Hausarzt" der Soldaten bezeichnet wird. 2013 sei ein Viertel der Truppendienstarztposten nicht besetzt, in einigen Fällen werden ehemalige Sanitätsoffiziere im Reservistenstatus als Truppenärzte angefragt.
An abgelegenen Standorten sei die Versorgung durch den Truppenarzt oft nicht möglich.Unter den Sanitätsoffizieren sei der Einsatz als Truppenarzt unbeliebt, da viele "Nachteile wie fehlende fachärztliche Weiterbildungsmöglichkeiten" sehen, so Königshaus.
Auch seien die regionalen Sanitätseinrichtungen nicht mit moderner Technik ausgestattet. So gäbe es bis heute "kein computerunterstütztes Praxisprogramm", Rezepte oder Überweisungen und andere Formulare müssten per Hand ausgefüllt werden.
Als eine "besondere Herausforderung" bezeichnet Königshaus die Versorgung der Soldaten mit posttraumatischen Belastungsstörungen. Um das Screening-Verfahren, bei dem eine psychische Erkrankung der Soldaten frühzeitig erkannt werden soll, zu erweitern, wird deutlich mehr Personal benötigt.
Die Bundeswehr hat neue Ausbildungsgänge für Psychologen an der Bundeswehruniversität in München geschaffen - erste Absolventen werden allerdings erst 2016 oder 2018 erwartet.