Corona-Pandemie
COVID-Impfpflicht-Befürworter werben um Mehrheit im Parlament
Im Schatten des Ukraine-Krieges debattiert der Bundestag über das heikle Thema einer Corona-Impfpflicht: Mehrere Anträge stehen zur Auswahl. Anfang April könnte eine Entscheidung fallen.
Veröffentlicht:Berlin. Der Ausgang der Debatte um eine mögliche Corona-Impfpflicht ist weiter völlig offen. Verfechter einer solchen Verpflichtung warben am Donnerstag im Bundestag um Zustimmung für ihre Anträge. „Lassen Sie uns gemeinsam den Konsens suchen für einen nachhaltigen Weg, diese Pandemie unter Kontrolle zu bringen“, sagte die SPD-Gesundheitspolitikerin Heike Baehrens bei der ersten Lesung mehrerer, zumeist fraktionsübergreifender Vorschläge.
Baehrens rief die Abgeordneten von CDU/CSU auf, sich dem Gesetzesantrag für eine Impfpflicht ab 18 anzuschließen. Hätte die Union ihren Vorschlag einer Impfpflichtvorsorge nicht heute, sondern vor vier Monaten eingebracht, „müssten Sie heute im Angesicht der aktuellen dramatischen Infektionslage zu der Erkenntnis kommen: Es braucht den Impfmechanismus, wie Sie es nennen, jetzt.“ Es gehe darum, vor eine mögliche nächste Welle im Herbst zu kommen. Bis dahin müssten möglichst viele Menschen grundimmunisiert sein. Die Impfung verhindere schwere Krankheitsverläufe und damit eine Überlastung des Gesundheitswesens.Gastbeitrag zur Corona-Pandemie
Allein auf Hoffnung zu setzen, ist keine Option
Union als Zünglein an der Waage?
CDU und CSU haben als Fraktion einen eigenen Antrag eingebracht. An diesem „Kompromissvorschlag“ halte man weiter fest, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Tino Sorge. Wegen der Omikron-Variante gebe es höhere Infektionszahlen, aber auch viel mildere Krankheitsverläufe. Pauschale Lösungen wie eine Impfpflicht ab 18 seien daher der falsche Weg.
Zudem sei zunächst ein Impfregister anzulegen, um eine „ordentliche Datengrundlage“ zu schaffen. Im Übrigen lasse sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorhersagen, mit welcher möglichen neuen Virusvariante man es im Herbst oder Winter zu tun habe. Daher werbe die Union für einen „gestuften Impfmechanismus“, den Bundestag und Bundesrat bei verschärfter Pandemielage in Kraft setzen könnten. Dies könne eine Impfpflicht beinhalten, jedoch differenziert nach bestimmten Alterskohorten, sagte der CDU-Politiker Sepp Müller. Zum jetzigen Zeitpunkt sei die Impfpflicht tot. Es gibt keine Mehrheit für eine allgemeine Impfpflicht ab 18.Gastbeitrag
Flexible Corona-Impfvorsorge als Kompromiss
Der FDP-Politiker und Arzt Professor Andrew Ullmann warb für einen „Mittelweg aus professioneller und guter Aufklärung“ und einer möglichen Impfpflicht ab 50. Die Impfpflicht dürfe nur „Ultima Ratio“ sein. Ihr vorgeschaltet sein müsse das „mildere Mittel einer verpflichtenden Beratung“. Übergeordnetes Ziel müsse sein, die Impflücke bei den vulnerablen Gruppen zu schließen. Der Entwurf baue daher „Brücken“ zu anderen Anträgen, erklärte Ullmann.
Sein Parteikollege Manuel Höferlin wies daraufhin, dass es bislang in keinem demokratisch regierten Land Europas eine allgemeine Verpflichtung zur Corona-Impfung gebe. Selbst Österreich habe diese kürzlich wieder außer Vollzug gesetzt – „mit der nachvollziehbaren Begründung, unter der Omikron-Variante ergebe sie keinen Sinn mehr“. Nach zwei Jahren Pandemie solle der Staat den Menschen wieder eigene Entscheidungen zutrauen, so Höferlin. „Für staatliche Bevormundung ist weder Zeit noch rechtlicher Raum“.
Gysi: Lässt sich nicht durchsetzen
Der Linken-Abgeordnete Gregor Gysi sagte, bei Masern sei er für eine Impfpflicht gewesen, „weil das die Krankheit ausrottete“. Das schaffe der Impfstoff bei Corona nicht. Aktuell seien 16 Millionen Bundesbürger ungeimpft, rechnete Gysi vor. Ließen sich fünf Millionen mittels einer Pflicht zum Impfen bewegen, seien immer noch elf Millionen Menschen ohne einen Impfschutz. „Wie viele Hunderttausende Ordnungsämter brauchen wir dann eigentlich, um das durchsetzen zu können?“, fragte Gysi. „Ein Gesetz, das man nicht durchsetzen kann, darf man auch nicht beschließen.“
Höferlin wie Gysi unterstützen einen Antrag um den stellvertretenden FDP-Chef Wolfgang Kubicki. Der Antrag setzt auf mehr Aufklärung statt Impfpflicht.
Einen Antrag gegen die Einführung einer Impfpflicht hat auch die AfD vorgelegt. Fraktionsvorsitzende Alice Weidel rief die Befürworter der Impfpflicht auf, das Ansinnen aufzugeben. „Sie reiten ein totes Pferd, bitte steigen sie ab.“ Es gebe keine legitime und verfassungsrechtlich zulässige Rechtfertigung für die Impfpflicht.
Zweite und dritte Lesung der Anträge zur Impfpflicht sind für Anfang April geplant. Bei der Abstimmung würde eine einfache Mehrheit der Stimmen für die Annahme eines Antrags der dann anwesenden Bundestagsabgeordneten reichen.