Drogen-Studie offenbart

Crystal Meth immer häufiger am Arbeitsplatz

Die Droge Crystal Meth erobert deutsche Büros und Werkstätten: Immer häufiger wird sie in der Arbeit konsumiert, zeigt eine von der Regierung geförderte Studie. Viele wollen damit ihre berufliche Leistungsfähigkeit steigern.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Eine Handvoll Crystal Meth.

Eine Handvoll Crystal Meth.

© Arno Burgi

BERLIN. Crystal Meth hat die Partykeller und Schwulenclubs längst verlassen. N-Methylamphetamin, so der wissenschaftliche Name, wird nach Erkenntnissen aus einer Umfrage im Auftrag der Bundesregierung immer häufiger auch am Arbeitsplatz geschnupft.

Auch Schüler und Studenten versuchen, sich mit der Droge zu besseren Leistungen zu peitschen.

"Die unterschiedlichen Konsumbiografien, -motive und -muster für den Missbrauch von Amphetamin und Metamphetamin machen deutlich, dass die Prävention des Missbrauchs dieser Substanzen eine große Herausforderung ist", kommentierte die Drogenbeauftragte der Regierung, Marlene Mortler (CSU), die Ergebnisse der Untersuchung.

Grüne fordern "Aktionsplan Crystal"

Die Grünen haben daraufhin am Montag einen "Aktionsplan Crystal" gefordert, auch um den medizinischen und psychotherapeutischen Herausforderungen zu begegnen, die der zunehmende Gebrauch der Droge mit sich bringt.

Das Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS) an der Universität Hamburg hat in der ersten öffentlich geförderten Crystal Meth-Studie mit knapp 400 Teilnehmern sieben Konsumierendengruppen identifiziert: Freizeit-Konsumenten, die homosexuelle Party-Szene, Schüler und Auszubildende, Berufsgruppen, Eltern, psychisch erkrankte Menschen und Menschen mit riskantem Konsumverhalten.

Fast allen gemeinsam sind mindestens ein psychisch traumatisierendes Erlebnis in der Kindheit, oft auch mehrere, wie sexueller Missbrauch, Gewalt oder Scheidung der Eltern.

Etwa die Hälfte der Teilnehmer gab an, Crystal Meth zu nutzen, um die berufliche Leistungsfähigkeit zu steigern. Ein Drittel der Befragten trägt die Droge in Schule und Universität bei sich. Für zwei Drittel der Studienteilnehmer ist aber die Freizeit nach wie vor der häufigste Anlass, zur Droge zu greifen.

Die Folgen können fatal sein: Crystal Meth greift das Herz-Kreislaufsystem an, kann Gehirn und Nerven schädigen, die davon ausgelöste Schlaflosigkeit kann sich in Psychosen niederschlagen.

Forscher haben kein "klares Bild" von der Verbreitung

Wie häufig und in welchen Mengen Crystal Meth in Deutschland tatsächlich konsumiert wird, ist nicht klar.

Laut dem Jahrbuch "Sucht 2013" der deutschen Hauptstelle für Suchtfragen waren 2011 von den mehr als 21.000 erstauffälligen Konsumenten harter Drogen rund 68 Prozent Konsumenten von Amphetamin und Methamphetamin.

Das lasse auf die zunehmende Bedeutung amphetaminhaltiger Stimulanzien schließen, deutete das Bundeskriminalamt 2012 dieses Verhältnis. 2009 registrierte die Polizei 309 Menschen erstmals, die Crystal Meth bei sich hatten. Bis 2012 ist diese Zahl auf 2556 gestiegen.

Die Menge des von der Polizei sichergestellten Crystal Meth' hat sich von 2009 auf 2011 mit mehr als 40 Kilogramm versechsfacht. Der epidemiologische Suchtsurvey kommt ausweislich der ZIS-Untersuchung für die Gruppe der 18- bis 64-Jährigen zu einer Lebenszeitprävalenz von 3,1 Prozent. Allerdings wird dabei nicht zwischen den verschiedenen Amphetaminen unterschieden.

Über die regionale Verbreitung von Methamphetamin wird ebenfalls nur Ungefähres berichtet. Auf Bundes- wie Länderebene gebe es kein "klares Bild", heißt es in der ZIS-Studie. Allerdings müssen sich die Suchtberatungsstellen zunehmend mit Meth-Konsumenten beschäftigen.

Seit 2007 habe sich zudem bei den stationär Behandelten der Anteil von Personen mit der ICD-10 Hauptdiagnose Stimulanzien auf 15,5 Prozent verdoppelt.

Suchtexperten: Auch in Deutschland gibt es Labore

Als Hauptherstellungsland gilt die Tschechische Republik. Die Verbreitung in Deutschland sei in den grenznahen Gebieten am höchsten, heißt es.

In Sachsen nehme die Zahl der Klienten in den Suchtberatungsstellen jährlich um 25 Prozent zu.

Auch Bayern, Thüringen, Hessen und Nordrhein-Westfalen seien betroffen, heißt es bei der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen. Da sich Crystal Meth aus handelsüblichen Arzneimitteln gewinnen lässt, geht die Hauptstelle davon aus, dass es auch in Deutschland Labore gibt, die für den Schwarzmarkt produzieren.

Möglicherweise gibt es dazu bereits genauere Erkenntnisse. Die Untersuchung des ZIS bezieht sich auf den "detaillierten Bericht" eines Expertengesprächs am 1. November 2013, der dem Gesundheitsministerium vorliege. Veröffentlicht ist dieser Bericht bislang nicht.

Der drogenpolitische Sprecher der Grünen, Dr. Harald Terpe, hat die Bundesregierung aufgefordert, den Vorschlag der Studienautoren zu unterstützen, noch in diesem Jahr mobile Drogentests in der Partyszene einzuführen.

Zudem müssten die potenziellen Nutzer über die Ansteckungsgefahr mit Hepatitis durch den gemeinsamen Gebrauch von "Ziehröhrchen" aufgeklärt werden, so Terpe.

Keine Neophyte im Drogendschungel

Crystal Meth ist übrigens keine Neophyte im Drogendschungel. Als Pervitin wurde es im Zweiten Weltkrieg als Aufputschmittel für Soldaten eingesetzt.

Das Fertigarzneimittel Pervitin war nach dem Krieg noch bis in die 80er-Jahre im Handel.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

62 Kassen im Beitragssatz-Check

Höhere Zusatzbeiträge: So teuer wird Ihre Krankenkasse 2025

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Praxisabgabe mit Hindernissen

Warum Kollege Gieseking nicht zum Ruhestand kommt

Lesetipps
Krankenkassen haben zum Jahreswechsel schlechte Botschaften für ihre Mitglieder: die Zusatzbeiträge steigen stark. Die Kritik an versäumten Reformen der Ampel-Koalition ist einhellig.

© Comugnero Silvana / stock.adobe.com

Update

62 Kassen im Beitragssatz-Check

Höhere Zusatzbeiträge: So teuer wird Ihre Krankenkasse 2025