Kommentar – Gutachten des Sachverständigenrats
Der Weg der Weisen
Um Gottes willen – nicht noch so eine Jammer-Arie: "Es war einmal ein starkes Land" – der Abgesang auf Fußball, Politik und Wirtschaft. Nein, unser Gesundheitswesen liegt nicht am Boden, und Patienten können weiterhin davon ausgehen, von engagierten Ärztinnen und Ärzten in Klinik und Praxis gut versorgt zu werden.
Dennoch: Das aktuelle von den Gesundheitsweisen vorgelegte Gutachten ist nicht nur eine schonungslose Analyse des Ist-Zustands, sondern es wartet mit einem ganzen Bündel von Empfehlungen und Maßnahmen auf, um Über-, Unter- und Fehlversorgung zu bekämpfen.
Moment, da war doch was? Richtig! Erinnert sei an die harschen Reaktionen auf die Systemanalyse der Sachverständigen im August 2001. Damals ging es um die Versorgung chronisch Kranker und überflüssige Doppeluntersuchungen.
Heute erstreckt sich das Urteil der Weisen über nahezu alle Versorgungsbereiche. Sie belassen es allerdings nicht nur bei der Kritik, sondern bieten konkrete Lösungen an. Beispiel: die Überwindung der Schnittstellen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung.
Die Notfallversorgung könnte hier zur Blaupause werden. Die Schlüsselbegriffe lauten "Integrierte Leitstelle" und "Integriertes Notfallzentrum". Beide Einrichtungen sollen das ersetzen, was gängige Praxis ist: kassenärztlicher Bereitschaftsdienst, Rettungsdienst und Notfallaufnahmen an Kliniken, sicherlich keine Erfolgsgeschichte.
Der Rat urteilt: "Viele Hinweise legen nahe, dass die Versorgung nicht bedarfsgerecht erfolgt." Fehlanreize und Fehlsteuerung gehören zu den häufigsten Vokabeln, die die Gutachter in ihrer Status-quo-Analyse nennen.
Das gilt auch für den ambulanten Bereich und hier vor allem für die Niederlassung in Ballungszentren und in strukturschwachen Gebieten.
Die Vorschläge reichen von der Zulassung auf Zeit für MVZ und BAG, über saftige Honorarzuschläge für Landärzte bis hin zur Diskussion über eine Kontaktgebühr für den direkten Facharztbesuch ohne Überweisung. Hausärzte, Augenärzte, Gynäkologen, Psychiater und Kinderärzte sollen davon ausgenommen werden – ein klares Plädoyer für ein Primärarztsystem.
Am Ende sind es fast 70 Einzelempfehlungen, die die Sachverständigen auflisten – der größtmögliche Diskussionsbeitrag, den es dazu in letzter Zeit gegeben hat.
Der würde ausreichen, das gesundheitspolitische Arbeitsprogramm für mindestens drei Legislaturperioden zu bestimmen. Es wird Zeit, dass die Politik wieder handlungsfähig wird.
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