Sachverständigenrat

70 Empfehlungen für eine bessere Versorgung

Der Sachverständigenrat hat ein Gutachten erarbeitet, wie das deutsche Gesundheitssystem umfassend umgebaut werden sollte. Vorschläge sind: Reform der Notfallversorgung, Neu-Organisation des ambulanten Bereichs, Facharzt-Gebühr für Patienten und neue Klinikplanung.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen beim Bundesgesundheitsministerium um Professor Gabriele Meyer (v.l.), Professor Marion Haubitz, Professor Eberhard Wille, Professor Ferdinand Gerlach, Professor Petra Thürmann, Professor Wolfgang Greiner und Professor Jonas Schreyögg, stellt das Gutachten «Bedarfsgerechte Steuerung der Gesundheitsversorgung» vor.

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen beim Bundesgesundheitsministerium um Professor Gabriele Meyer (v.l.), Professor Marion Haubitz, Professor Eberhard Wille, Professor Ferdinand Gerlach, Professor Petra Thürmann, Professor Wolfgang Greiner und Professor Jonas Schreyögg, stellt das Gutachten «Bedarfsgerechte Steuerung der Gesundheitsversorgung» vor.

© Jörg Carstensen / dpa

BERLIN. Geht es nach dem Sachverständigenrat Gesundheit, soll sich die Gesundheitsversorgung in Deutschland in absehbarer Zeit spürbar verändern.

Eine Reihe von Maßnahmen soll die Basis für eine sinnvoll gestufte Versorgung schaffen – etwa: mehr hausarztzentrierte Versorgung, die Beseitigung von Niederlassungshindernissen, eine prospektive und sektorenübergreifende Bedarfs- und Angebotsplanung sowie eine qualitativ hochwertigere Weiterbildung junger Mediziner als heute.

Gleichzeitig sollen Kapazitätsabbau und -anpassung im stationären Sektor weiter vorangetrieben werden. Versorgungsdefizite, und wie man sie beheben könnte, analysiert das neue Gutachten des Sachverständigenrats, das die Gesundheitsweisen am Montag an Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) übergeben haben.

"Gezielte Steuerung, nicht einfach Regulierung"

"Wir wollen eine gezielte Steuerung, aber nicht einfach stumpf Regulierung", sagte der Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, Professor Ferdinand Gerlach, im Vorfeld der Vorstellung der "Ärzte Zeitung".

"Pilot- und Eisbrecherprojekt" für die sektorenübergreifende Versorgung soll die Reform der Notfallversorgung werden. Erstmals sollen niedergelassene Ärzte und Klinikärzte unter einem Dach zusammenarbeiten, mit einer einheitlichen Vergütung und unter den Vorgaben einer einheitlichen Bedarfsplanung und Qualitätssicherung, dazu mit einer gemeinsam digital abgestimmten Dokumentation, lautet die Vision der Gutachter.

Aus den bisherigen Bereitschaftsdienstpraxen der niedergelassenen Ärzte und den Notfallambulanzen der Kliniken sollen demnach von KVen und Kliniken gemeinsam betriebene "Integrierte Notfallzentren" werden, schlagen die Gutachter vor. Vorgeschaltet werden sollen Integrierte Leitstellen, die für alle Menschen in Deutschland unter möglichst einer Rufnummer erreichbar sein sollen.

Bei diesem einen gezielten Eingriff, um Patienten besser als heute in die richtige Versorgungsebene zu steuern, soll es nicht bleiben. Die Gutachter schlagen auch umfangreiche Änderungen in der Organisation des ambulanten Sektors vor. Hausärzte sollen die Koordination und den größten Teil der Patientenbetreuung übernehmen.

Die hausarztzentrierte Versorgung soll zur Regel werden. Für die Einschreibung sollen Patienten mit Nachlässen beim Kassenbeitrag belohnt werden. Nachgedacht wird auch über eine "Eintrittsgebühr" beim Facharzt, wenn der Patient ohne Überweisung kommt.

Leistungsorientiere Krankenhausplanung

Lesen Sie auch: Notfallversorgung soll über "Integrierte Notfallzentren" laufen Kommentar: Der Weg der Weisen

Auf der anderen Seite schlägt der Sachverständigenrat vor, Überkapazitäten im stationären Sektor anzupacken. Dazu soll der Einfluss des Bundes in der Krankenhausplanung wachsen, ein Milliarden Euro schwerer Fonds vor allem für die Konzentration des Sektors eingesetzt werden.

Die Krankenhausplanung soll sich nicht länger an der Zahl vorhandener Betten orientieren, sondern von einer "leistungsorientierten Planung" abgelöst werden. Anreize in der Krankenhausfinanzierung, die zu Mengenausweitungen bei Operationen führen, sollen nach den Vorstellungen der Gesundheitsweisen abgebaut werden.

Wie eine gezieltere Steuerung durch die Versorgung aussehen könnte, erklärt der Rat anhand von Patienten mit psychischen Erkrankungen beziehungsweise Rückenbeschwerden. Nicht für jeden Patienten sei die Aufnahme in ein strukturiertes Behandlungsprogramm von Vorteil, heißt es in den Empfehlungen des Rates.

70 Einzelempfehlungen

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen hat den gesetzlichen Auftrag, Über-, Unter- und Fehlversorgung im Auge zu behalten. Zahlreiche Gutachten dazu hat es bereits gegeben.

Auch der Tenor der insgesamt 70 Einzelempfehlungen des aktuellen Gutachtens mit dem Titel "Bedarfsgerechte Steuerung der Gesundheitsversorgung" ist eindeutig: "Trotz vieler Reformgesetze bestehen nach wie vor Über-, Unter—und Fehlversorgung nebeneinander", sagt Gerlach.

Der Fachöffentlichkeit vorstellen wollen die Ratsmitglieder ihre Arbeit bei einem Symposium am 26. September in Berlin. In der Folge soll es vier Regionalkonferenzen in Frankfurt/Main, Hamburg, Halle und Düsseldorf geben.

Lesen Sie dazu auch: Notfallversorgung soll über "Integrierte Notfallzentren" laufen Kommentar: Der Weg der Weisen

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