Kabinett beschließt Eckpunkte
Deutsche Strategie zur Künstlichen Intelligenz
Die Bundesregierung will Deutschland fit für die Künstliche Intelligenz machen. Dazu hat das Kabinett jetzt Eckpunkte einer Strategie beschlossen. Gesundheit ist ein zentrales Thema.
Veröffentlicht:BERLIN. Der Funke ist übergesprungen: War der ehemaligen Bundesforschungsministerin Professor Johanna Wanka (CDU) schon anzumerken, dass ihre Begeisterung für den Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) in der Medizin und anderen Anwendungsbereichen in Deutschland kein reines Lippenbekenntnis ist, so lieferte ihre Nachfolgerin Anja Karliczek (CDU) nun als federführende Ministerin die Eckpunkte der Bundesregierung für eine KI-Strategie ab. Am Mittwoch beschloss das Bundeskabinett das Papier.
"Künstliche Intelligenz hält Einzug in unseren Alltag und wir wollen, dass diese Technik den Menschen hilft. Daher stellen wir den Nutzen für den Menschen in unserem Lande in den Mittelpunkt unserer KI Strategie. Richtig gestaltet, ist KI ein wichtiger Schlüssel für Wachstum und Wohlstand", so Karliczek.
Ambitioniert klingt der Anspruch, Deutschland solle zum weltweit führenden Standort für KI werden, insbesondere durch einen umfassenden und schnellen Transfer von Forschungsergebnissen in Anwendungen sowie die Modernisierung der Verwaltung.
In der Realität wird dies bedeuten, die Sieben-Meilen-Stiefel anzuziehen und sich auf die Aufholjagd zu begeben, um den USA, China, Japan, Südkorea und Singapur auf lange Frist in puncto KI noch das Wasser reichen zu können – denn einige dieser Länder stellen die Ethik und Datenschutzbedenken hinter die Wirtschaft, was Letztere durchaus beflügelt.
Gütesiegel für die Branche
"‘Artificial Intelligence (AI) made in Germany‘ soll zum weltweit anerkannten Gütesiegel werden", so der Auftrag an alle relevanten Player in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik.
Im Strategiepapier findet sich explizit der Hinweis darauf wieder, dass KI dabei unterstützen könne, neue Einsichten in die Entstehung und Verbreitung von Krankheiten zu gewinnen, diese schneller zu erkennen und individuell behandeln zu können – um auf lange Sicht die Performance im Gesundheitswesen zu verbessern.
Das wird mit der Hoffnung verknüpft, KI könne über ihre gesundheitspolitische Bedeutung hinaus auch wirtschafts- und beschäftigungspolitische Impulse geben.
Ein Knackpunkt beim Einsatz von Big Data und KI im Gesundheitswesen – die Basis für Präzisionsmedizin, aber auch hochkomplexe Telemedizinanwendungen – ist die Datengeschwindigkeit.
Bereits bei der Digital Health Conference 2017 des Branchenverbandes Bitkom in Mannheim im Rahmen des ersten Daten-Gipfels der Regierung wiesen Experten unter Wankas Zustimmung darauf hin, dass es des flächendeckenden Ausbaus des Glasfaserkabelnetzes in Deutschland bedürfe.
Das sei die Conditio sine qua non, da Glasfaser große Datenmengen in Lichtgeschwindigkeit transportiere und so die riesigen Datenberge schnell analysiert und das Ergebnis an jeden möglichen Ort der Bundesrepublik transportiert werden könne.
Investitionen in Infrastruktur angekündigt
Diese Bedenken greift die Regierung nun in ihrer KI-Strategie, die bis Ende des Jahres in trockenen Tüchern sein soll, auf. "Wir schaffen mit dem Ausbau einer Infrastruktur zur Echtzeit-Datenübertragung in der Gigabitgesellschaft eine zentrale Grundlage für KI-Anwendungen", heißt es im Kabinettsbeschluss.
Adressiert wird auch die unter Effizienzgesichtspunkten dringend erforderliche Interoperabilität der Systeme im Gesundheitswesen. Zugleich versucht das Kabinett, potenzielle Bedenken von Datenschützern und KI-Kritikern im Keim zu ersticken.
"Wir wollen sicherstellen, dass IT-Systeme, die KI nutzen und zur Anwendung bringen, ein hohes Niveau an IT-Sicherheit gewährleisten, damit Manipulation, Missbrauch und Risiken für die öffentliche Sicherheit dieser sensitiven Technologie bestmöglich verhindert werden", steht es geschrieben.
Gleichzeitig steht auf der To-do-Liste der prioritären Handlungsfelder der innovationstreibenden Forschung die "Erschließung der bei der Diagnose und Therapie im Gesundheitswesen an verteilten Datenquellen entstehenden Daten als Grundlage für den Einsatz von KI in der Gesundheitsforschung unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen von Patientinnen und Patienten an ihren Daten."
Von Industrieseite meldete sich der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) prompt nach dem Kabinettsbeschluss und forderte eine enge Abstimmung auf europäischer Ebene.
"Wir brauchen in Europa eine gemeinsame Strategie. Viele rechtliche, regulatorische und förderpolitische Herausforderungen müssen von vornherein im Rahmen des digitalen Binnenmarkts gelöst werden", appellierte Dr. Klaus Mittelbach, Vorsitzender der ZVEI-Geschäftsführung, an die Regierung.
Weiter ist mit Kritik von Datenschützern an der von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) "Schlüsseltechnologie" genannten KI zu rechnen. Einige sehen mit Blick auf die KI-Strategie der Bundesregierung bereits die zum 25. Mai in Kraft getretene EU-Datenschutzgrundverordnung als obsolet an.
Wir haben den Artikel aktualisiert am 18.7.2018 um 15:52 Uhr.