Ausreise nach Italien verweigert

Die Welt nimmt Anteil am Schicksal des todkranken Alfie

Der todkranke britische Junge Alfie Evans darf nicht nach Italien gebracht werden. Das, obwohl bereits eine Maschine der italienischen Luftwaffe bereitstand, um Alfie nach Rom zu bringen. Fraglich ist, ob ihn seine Eltern zum Sterben mit nach Hause nehmen dürfen. Ein deutscher Experte versteht die Briten nicht.

Von Christoph Meyer Veröffentlicht:
Den schwerkranke Alfie Evans in den Armen seiner Mutter Kate James.

Den schwerkranke Alfie Evans in den Armen seiner Mutter Kate James.

© Alfies Army Official/PA/dpa (Archivbild)

LONDON. Die Eltern des todkranken britischen Jungen Alfie Evans haben britischen Medien zufolge erneut eine Niederlage vor Gericht hinnehmen müssen. Der knapp zwei Jahre alte Junge darf demnach nicht nach Italien ausgeflogen werden. Die Richter am Berufungsgericht in London wiesen am Mittwoch Anträge der Eltern ab, eine frühere Entscheidung zu kippen. Es ist die jüngste und wohl letzte in einer ganzen Reihe juristischer Niederlagen.

Der Vater des Jungen, Thomas Evans, will nun mit den Ärzten des Alder Hey Hospitals in Liverpool über eine Verlegung seines Sohnes nach Hause verhandeln. Das sagte er am Donnerstag vor Reportern in Liverpool. Er hoffe, Alfie könne innerhalb von einem oder zwei Tagen zu Hause sein. Andernfalls erwäge er, wieder vor Gericht zu ziehen.

Ärzte: weiteres Leid ersparen

Alfie hat eine schwere neurologische Krankheit, die noch nicht klar diagnostiziert ist. Die Ärzte im Kinderkrankenhaus Alder Hey in Liverpool halten weitere lebenserhaltende Maßnahmen für sinnlos, weil die Krankheit das Gehirn des Kindes fast vollständig zerstört haben soll. Sie wollen Alfie weiteres Leiden ersparen und ihn deshalb so bald wie möglich sterben lassen. Die Eltern dagegen wollen, dass Alfie solange wie möglich lebt und in Italien weiter behandelt wird.

Am Montag wurden die lebenserhaltenden Maßnahmen für Alfie eingestellt. Zur Überraschung seiner Ärzte atmete der Junge von alleine weiter, wie sein Vater berichtete. Das gab den Eltern erneut Hoffnung, die Richter könnten einer Ausreise doch noch zustimmen.

Feindseligkeit gegen Mediziner

Die italienische Regierung hatte bereits alle Hebel in Bewegung gesetzt, um Alfie ins vatikanische Kinderkrankenhaus Bambino Gesù zu bringen. Der Innenminister und der Außenminister brachten im Eilverfahren die italienische Staatsangehörigkeit auf den Weg. Das Kabinett segnete den Vorstoß ab. Auf dem Flughafen Ciampino stand bereits eine Maschine der Luftwaffe bereit, die Alfie nach Italien transportieren könnte.

Alfies Vater hatte bereits zuvor die Hoffnung geäußert, sein Sohn könne, wenn schon nicht nach Italien, dann doch wenigstens nach Hause gebracht werden. Ein Vorschlag, den ein Richter bereits am Dienstag ins Spiel gebracht hatte. Das Krankenhaus zeigte sich aber skeptisch. Eine sofortige Verlegung sei wegen der "Feindseligkeit" der Unterstützer von Alfies Eltern gegen die Krankenhausmitarbeiter zurzeit unmöglich. Seit Tagen demonstrieren Dutzende vor der Kinderklinik in Liverpool.

Das junge Paar, beide Anfang 20, hat einen großen Unterstützerkreis. Vor dem Krankenhaus in Liverpool versammeln sich täglich Demonstranten, die verlangen, dass Alfie ausreisen darf. Am Montag versuchten sie sogar das Krankenhaus zu stürmen, sie wurden von der Polizei zurückgedrängt. Im Internet werden Spenden gesammelt. Eine christliche Organisation stellt die Anwälte für das Paar.

Und nicht nur in der Stadt, in der Alfie bisher behandelt wurde, gibt es Proteste. In mehreren englischen Städten und selbst über die Insel hinaus demonstrierten Menschen dafür, Alfie ausreisen zu lassen. Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter etablierte sich der Hashtag #alfiesarmy (deutsch: Alfies Armee). In die Kontroverse mischte sich am Mittwoch auch Polens Präsident Andrzej Duda eingeschaltet: "Alfie Evans muss gerettet werden", schrieb er auf Twitter. Auch in Polen demonstrierten Menschen für den schwerkranken englischen Jungen.

Papst empfängt Vater

Am Mittwoch vergangener Woche nahm sich Papst Franziskus vor der Generalaudienz Zeit, den Vater des Jungen zu empfangen. Auf Bildern ist zu sehen, wie er dem Mann die Hand auf die Schulter legt oder wie Thomas Evans dem katholischen Kirchenoberhaupt einen Handkuss gibt. Die Anteilnahme in dem katholischen Land ist groß. Die Zeitungen sind voll von mitfühlenden Kommentaren. Viele stempeln die Entscheidungen in Großbritannien über die Zukunft des Jungen als "rigido", rigide, starr ab.

Unverständnis herrscht auch bei der Präsidentin des Päpstlichen Kinderkrankenhauses, warum ihre Klinik das Kind nicht behandeln dürfen soll. "Unsere Motivation ist nicht nur menschlich, religiös oder ethisch begründet, wir sind wirklich überzeugt davon, dass wir niemals die Hoffnung verlieren dürfen", sagt sie.

In Deutschland selbstverständlich

In Deutschland würde Alfie nach Expertenansicht "selbstverständlich auf Wunsch der Eltern weiterbehandelt" werden. Das sagte der Professor für Kinderkardiologie und Pädiatrische Intensivmedizin vom Universitätsklinikum München, Nikolaus Haas, am Mittwoch in London. Der Professor, der Alfie im Auftrag eines britischen Gerichts untersucht hat, wundert sich zudem, dass der Junge noch nicht längst bei seinen Eltern ist. In Deutschland gebe es Hunderte, wenn nicht Tausende Menschen, die in einem ähnlichen Zustand zu Hause betreut würden. (dpa / aze)

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