Behandlungsfehler 2015
Die meisten Patzer in Chirurgie und Orthopädie
2132 Fehler sind Ärzten nach Angaben der BÄK im vergangenen Jahr unterlaufen - angesichts von fast 700 Millionen behandelter Patienten kommt das also selten vor. Zu Schaden kamen 1700 Menschen, zu Tode knapp 100.
Veröffentlicht:BERLIN. Die Zahl der 2015 festgestellten Behandlungsfehler ist im Vergleich zum Vorjahr leicht gesunken. Mit 2132 lag die Zahl ärztlicher Kunstfehler leicht unter dem Wert von 2014, als 2252 Fehler bestätigt wurden.
Das berichtete die Geschäftsführerin der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern, Kerstin Kols, am Montag in Berlin.
Laut Fehlerstatistik 2015 wurden in 1774 Fällen Patienten durch die Fehler geschädigt. In 358 Fällen lag ein Behandlungsfehler oder Aufklärungsmangel vor, der keinen Gesundheitsschaden zur Folge hatte.
664 Patienten trugen Dauerschäden durch den Behandlungsfehler davon - 990 Patienten wurden teils schwer, jedoch nur vorübergehend geschädigt. 96 Todesfälle gehen aus der Statistik hervor, 2014 waren es nur 73 gewesen.
Jeder vierte Fall in Praxis oder MVZ
Die häufigsten Diagnosen, die zu den Vorwürfen führten, waren Knie- und Hüftgelenkarthrosen sowie Unterschenkel- und Sprunggelenkfrakturen. Der Großteil der zu überprüfenden Behandlungen 2015 hatte dabei in einer Klinik stattgefunden, nur jeder vierte Fall (25,8 Prozent) stammte aus Praxis oder MVZ.
Hier fanden sich die meisten bestätigten Fehler bei der Diagnose und Behandlung von bösartigen Neubildungen der Brustdrüse (37 Fälle).
Gerade in Hausarztpraxen komme es darüber hinaus häufig zu Medikationsfehlern, erklärte der Vorsitzende der Ständigen Konferenz der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der BÄK, Dr. Andreas Crusius.
So seien etwa Blutungen aufgetreten, weil Gerinnungswerte nur unzureichend kontrolliert wurden. Wie in den vergangenen Jahren auch waren im Klinikbereich vor allem die Fachbereiche Unfallchirurgie/Orthopädie und Allgemeinchirurgie betroffen (weitere Fachbereiche siehe Grafik unten).
In rund 90 Prozent der Fälle akzeptierten laut Kols beide Parteien die Streitschlichtung. Ihren Angaben zufolge wurden im vergangenen Jahr 7215 Sachentscheidungen getroffen, insgesamt seien 11.822 Anträge eingegangen.
Die Entwicklung ist nach einer deutlichen Steigerung im Jahr 2012 - damals waren es mit 12.232 über 1000 Anträge mehr als im Vorjahr - leicht rückläufig. Kols führt das im Rückblick möglicherweise auf die "vielfältige Berichterstattung" über das Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes zurück.
"Das Patientenrechtegesetz hat das bestehende Recht zwar bekannter gemacht", kritisierte Gesundheitspolitikerin Maria Klein-Schmeink (Grüne) nach Veröffentlichung des Berichts, "aber die entscheidende Frage, wie geschädigte Patienten ihre Anliegen durchsetzen können, ist noch nicht gelöst". Sie erinnerte an einen Härtefallfonds.
Crusius warnte angesichts der hohen Behandlungzahlen - 2014 waren es 688 Millionen Fälle - davor, die Zahlen zu überschätzen. Auch appellierte er, Fehler nicht mit "Pfusch" gleichzusetzen.
"Pfusch beinhaltet immer eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber den Auswirkungen des eigenen Handelns." Dies sei bei Ärzten jedoch keineswegs gegeben.
Blick auf Piloten-Checklisten
Nichtsdestotrotz müssten Mediziner stärker für Fehlervermeidung und Fehlerkultur sensibilisiert werden, betonte Dr. Peter Hinz, Leitender Oberarzt an der Uniklinik Greifswald.
Er zeigte auf, wie Ärzte womöglich von Piloten lernen könnten: Hier seien Checklisten und deren Wichtigkeit bereits in der Ausbildung an der Tagesordnung.
Als vorbildliches Projekt zur Fehlervermeidung wurde "CIRSmedical" gelobt: Die vom Ärztlichen Zentrum für Qualität in der Medizin betriebene Plattform erlaubt Ärzten die anonyme Fehlermeldung von Beinahefehlern, um auch bei Kollegen potenzielle Risiken abzustellen.
Klein-Schmeink kritisierte es unterdessen als "völlig unverständlich", dass es "noch immer kein verbindliches Fehlermeldesystem und auch keine adäquate Erfassung von Behandlungsfehlern" gebe.