Kongress für Gesundheitsnetzwerker
E-Health-Gesetz abgewatscht
Provinziell und am Patienten vorbei: Harsche Kritik am geplanten E-Health-Gesetz der Bundesregierung äußerten Experten beim Gesundheitsnetzwerkerkongress. Ohne mehr sektorenübergreifende Zusammenarbeit gehe es nicht.
Veröffentlicht:BERLIN. Vertreter aus dem Gesundheitswesen halten das geplante E-Health Gesetz schon jetzt für gescheitert. "Für mich ist das ein Reparaturgesetz", sagte der Vorstandsvorsitzende der Kaufmännischen Krankenkasse, Ingo Kailuweit, in einer Podiumsdiskussion beim zweitägigen Kongress für Gesundheitsnetzwerker, der vom Arzneiunternehmen Berlin Chemie ausgerichtet wurde.
"Ähnlich wie beim Berliner Flughafen stellt sich die Frage, ob man das nicht besser abreißt und neu aufsetzt", lautet das vernichtende Urteil.
Kailuweits Kritik: Der Patient spiele überhaupt keine Rolle im Gesetz.
Mit dem E-Health Gesetz will die Bundesregierung den Ausbau der Telematik in Deutschland voranbringen.
Es soll eine sichere Daten-Infrastruktur zum Austausch der verschiedenen Akteure im Gesundheitssystem entstehen. Kritiker bemängeln, dass konkrete Anwendungen für die geplante Daten-Autobahn fehlen.
Dezentrale Ansätze
So sieht das E-Health Gesetz die Ent
wicklung eines Medikationsplans vor - allerdings nicht elektronisch, sondern in Papierform. "Ich denke, das ist charakteristisch für das Gesetz", sagte Professor Jürgen Wasem von der Uni Duisburg-Essen. Er wünsche sich mehr zukunftsweisende Ansätze. "Das gilt etwa für die Interoperabilität der Systeme und die Einbeziehung nicht-ärztlicher Leistungserbringer", erläuterte Wasem.
Der Gesundheitsökonom sagte, dezentrale Ansätze seien zentralen Lösungen wie dem E-Health Gesetz bei der Schaffung innovativer Versorgungsmodelle überlegen.
Dr. Markus Müschenich, Vorstand des Bundesverbandes Internetmedizin, hält die derzeitige Diskussion um die IT für provinziell.
"Wir sind in Deutschland extrem langsam in der IT, die Ärzteschaft ist ein wenig aufgewacht, die Kliniken schlafen komplett", sagte er. Doch lasse sich diese Rückständigkeit angesichts eines veränderten Patientenverhaltens nicht mehr länger beibehalten.
Es gebe Patienten, die einen Arztbesuch von der Möglichkeit abhängig machten, online einen Termin beantragen zu können, verdeutlichte der Mediziner.
Dazu komme, dass die neuen Innovationstreiber nicht aus der Branche kommen. "Heute treiben Google und Apple die Entwicklung voran", sagte Müschenich.
Schwarzer Peter nicht bei Politikern
Die Hauptgeschäftsführerin des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller Birgit Fischer warnte davor, der Politik den Schwarzen Peter zuzuschieben. "Ich gebe zu, dass wir hinterherhinken, aber ich will das nicht der Politik zuschreiben", sagte sie.
Fischer beklagte, dass die verschiedenen Akteure oft nur innerhalb des eigenen Sektors denken. Sie forderte Ärzte und Kliniken zu einem Denken über die Sektoren hinaus auf. Voraussetzung für die Entwicklung funktionierender Kooperationen sei ein verändertes Wissensmanagement.
Dr. Dirk Heinrich, neuer Vorstandsvorsitzender des SpiFa, gab zu, dass sich die intersektorale Zusammenarbeit noch verbessern lässt. "Wir haben große Reibungsverluste an den Sektorengrenzen", so Heinrich.
Dabei zeigten gerade Ärztenetze, dass die Versorgung profitiert. "Wir sollten uns fragen, wie wir sie künftig vernünftig fördern können", sagte er.
Der Vorstandsvorsitzende des Klinikums Augsburg Alexander Schmidtke stellte fest, dass Kooperationen zwischen Kliniken oft an Budgetfragen scheitern. Nötig sei die Schaffung von Regionalbudgets, für die Kliniken in einer Region gemeinsam verantwortlich sind.
Schmidtke kündigte an, dass das Klinikum Augsburg sich in diesem Bereich spezialisieren will. Im Rahmen der Entwicklung zum Uni-Klinikum sei der Forschungsschwerpunkt IT vorgesehen.