Arzneimittelpolitik
EU-HTA an Nutzenbewertung adaptiert: Industrie vermisst Vorrang für Brüssel
Die zentrale europäische Arzneimittelzulassung ist seit Jahrzehnten etabliert. Nun folgt die zentrale Nutzenbewertung. Finale Werturteile – die Basis für Preisverhandlungen – bleiben jedoch weiterhin Sache der Mitgliedstaaten.
Veröffentlicht:Berlin. Nach heutiger Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt tritt am morgigen Samstag (8. März) die Erste Verordnung zur Änderung der Arzneimittel-Nutzenbewertungsverordnung in Kraft. Mit der Novelle wird die seit 2011 in Deutschland praktizierte frühe Nutzenbewertung („AMNOG-Verfahren“) mit den Anforderungen der Anfang 2025 gestarteten, zentralen Nutzenbewertung auf EU-Ebene („EU-HTA“) verzahnt.
In der Hauptsache wird geregelt, auf welche Weise bereits in Brüssel eingereichte Bewertungsunterlagen für neue Arzneimittel Eingang in die frühe Nutzenbewertung finden. Die einschlägige HTA-Verordnung der EU (2021/2282) schreibt lediglich vor, dass bei nationalen Bewertungen die aus der zentralen, „gemeinsamen klinischen Bewertung“ resultierenden Berichte „in angemessener Weise“ zu berücksichtigen sind.
EU-Bewertung bleibt unverbindlich
Konkret sieht die angepasste Nutzenbewertungsverordnung nun unter anderem vor, dass Hersteller anlässlich des nationalen AMNOG-Verfahrens angeben können, „ob und welche Nachweise aus dem europäischen Dossier Grundlage der Nutzenbewertung sein sollen“. Oder dass der G-BA neben der eigenen Nutzenbewertung auch die Ergebnisse der europäischen Bewertung zur Anhörung stellen soll.
„Werturteile und Schlussfolgerungen zum Zusatznutzen verbleiben jedoch auch künftig vollständig in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten“, betont das Bundesgesundheitsministerium in der Einleitung seines Verordnungsentwurfs. Soll heißen: Über Wahrscheinlichkeit und Ausmaß des Zusatznutzens entscheidet weiterhin wie gehabt der G-BA. Und genau darin sehen die forschenden Arzneimittelhersteller die entscheidende Schwäche der gemeinschaftlichen Bewertung.
vfa: „Potenzial bleibt ungenutzt“
„EU-HTA ist eine gute Idee, der aber vorerst die gute Praxis fehlen wird. Solange es keine eindeutige Vorfahrtsregel für Ergebnisse europäischer Bewertungsprozesse in Deutschland gibt und sichere Bedingungen zu deren Berücksichtigung geschaffen werden, bleibt das eigentliche Potenzial der neuen Regelungen zur Reduzierung von Doppelarbeiten ungenutzt“, kommentiert am Freitag der Präsident des Branchenverbands vfa, Han Steutel.
Gemäß der europäischen HTA-Verordnung unterliegen seit 12. Januar 2025 zunächst nur Arzneimittel mit neuen Krebswirkstoffen der gemeinsamen europäischen Bewertung. Ab 13. Januar 2028 gilt das zusätzlich auch für Orphan Drugs und ab dem 13. Januar 2030 für sämtliche Arzneimittel, die das Zulassungsprozedere der EU-Agentur EMA durchlaufen. G-BA und IQWiG sind als Mitglieder einer HTA-Koordinierungsgruppe in die europäische Bewertung involviert, die zeitgleich neben dem zentralen Zulassungsverfahren stattfinden soll. (cw)