EU verbreitet Optimismus
Ist der Corona-Impfstoff bald da?
Im Europaparlament kursieren Dezember und Januar als Starttermine für Corona-Impfungen. Zunächst sollen Angehörige der Gesundheitsberufe geimpft werden. Die ersten Impfstoffe werden aber möglicherweise nicht alle komplett schützen.
Veröffentlicht:Berlin. Bund und Länder erhalten für ihre aktuelle Strategie eines teilweisen Lockdowns im November Schützenhilfe aus Europa. Grund: In den Gremien der Europäischen Union wird mit den ersten Chargen an Impfstoff im Dezember oder Januar gerechnet.
Nach Auskunft des Europaabgeordneten Peter Liese (CDU/EVP) hat die für Gesundheit zuständige Generaldirektorin der Europäischen Kommission Sandra Gallina am Donnerstag im Ausschuss für Umwelt und Gesundheit ersten Zulassungen von Impfstoffen für Dezember und Januar in Aussicht gestellt.
Damit ständen für die Europäische Union ab dann 40 bis 50 Millionen Dosen an Impfstoff zur Verfügung, ab April sogar 100 Millionen Dosen.
Ergebnisse in den nächsten Tagen
In der letzten Phase der Impfstoffprüfung befänden sich derzeit die Produkte von BioNTech-Pfizer, Astra Zeneca und Moderna, heißt es in einem Vermerk des Abgeordneten. Mit der Bekanntgabe der Ergebnisse der klinischen Prüfung werde in den nächsten Tagen oder Wochen gerechnet. Die Projekte von CureVac, GSK-Sanofi und Johnson&Johnson könnten demnach im ersten oder zweiten Quartal kommenden Jahres abgeschlossen sein.
In den EU-Gremien geht man nicht davon aus, dass Impfstoffe sofort alle Geimpften zu 100 Prozent vor Infektionen schützen. Möglicherweise wirkten die Impfungen nicht bei allen, sondern eventuell nur bei „zum Beispiel 70 Prozent“, heißt es in dem Vermerk. Trotz Impfung Infizierte könnten aber möglicherweise besser vor schweren Verläufen geschützt sein.
Liese: Impfung wird entlasten
„Ich kann das nicht mit 100prozentiger Sicherheit sagen, würde aber eine hohe Wette darauf eingehen, dass wir im Frühjahr eine deutliche Entlastung haben, weil wir dann die Gelegenheit haben, viele Millionen Europäer zu impfen“, sagte Peter Liese bei einer virtuellen Pressekonferenz am Freitagvormittag.
Das werde das Problem nicht sofort lösen, könne aber dazu führen, dass Phasen exponentiellen Wachstums der Infektionszahlen und der Überlastung von Gesundheitssystemen weniger wahrscheinlich würden. Deshalb lohne es sich, die Verbreitung des Virus schon jetzt durch Kontaktbeschränkungen einzugrenzen.
Mit 100 Millionen Impfdosen ließen sich voraussichtlich 50 Millionen Menschen impfen, sagte Liese. Konzentriere man sich zunächst auf medizinisches Personal und Angehörige der Risikogruppen, könnten die Staaten Katastrophen wie derzeit in Belgien in Zukunft voraussichtlich vermeiden. Dort haben sich zahlreiche Ärzte und Pflegekräfte infiziert, was auf die Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens durchschlägt.
Europas Impfpolitik wird kritisiert
Europa arbeite beim Thema Impfstoffe hervorragend zusammen, sagte der EP-Abgeordnete. Kritik aus der Opposition wies Liese zurück. Abgeordnete der europäischen Grünen und Linken hätten moniert, dass die Union Geld ausgebe, ohne dass die Impfstoffe bereits vorhanden seien.
Die Entwicklung eines Impfstoffs koste bis zu einer Milliarde Euro und man könne es den Pharmaunternehmen nicht verübeln, dass sie nur denjenigen sichere Impfstofflieferungen zusagen könnten, die sich am Risiko beteiligten, so Liese.
In den Nachbarländern Niederlanden und Belgien spitzt sich die Situation weiter zu. In den Niederlanden könnten keine Herz-und Tumoroperationen mehr vorgenommen werden, weil die Intensivkapazitäten durch COVID-19-Patienten ausgelastet seien, berichtete ein in den Niederlanden tätiger Arzt auf Einladung Peter Lieses.
COVID-19-Versorgung
Intensivstationen: Das Personal ist der Flaschenhals
Dazu komme, dass etwa ein Fünftel der Ärzte und Pflegekräfte in der Folge der ersten Welle im Frühjahr langfristig krank geschrieben worden seien, häufig mit Erschöpfungssyndromen – und im Moment nicht einsatzbereit seien.
Ärzte vor harten Entscheidungen
In den Niederlanden werde allerdings Triage nach anderen, stärker Evidenz basierten Kriterien betrieben, berichtete der Anästhesist. Es sei dort gesellschaftlich akzeptiert, dass zum Beispiel ein 90-jähriger Patient mit COVID-19 nicht mehr ins Krankenhaus eingeliefert werde, sondern zuhause oder im Heim nur mehr begleitet werde.
Wegen der dramatischen Situation müssten die belgischen Kollegen aber bereits entscheiden, ob sie den 30- oder den 50-Jährigen COVID-Patienten zuerst behandelten.
Deutschland hat bereits je zwei Patienten aus Belgien und den Niederlanden aufgenommen, berichtete eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes am Freitag in Berlin. Für Verlegungen von Patienten innerhalb der Union stehe ein Topf von 220 Millionen Euro zur Verfügung.