Patientenrechtegesetz

Ein Zeitfresser für viele Ärzte

Mit dem neuen Patientenrechtegesetz nimmt der bürokratische Aufwand für Ärzte in der Regel zu. Das betrifft sowohl die Aufklärung des Patienten als auch die Dokumentation. Ein Medizinrechtler gibt Tipps.

Von Sabine Schiner Veröffentlicht:
Die Aufklärung des Patienten etwa über eine Operation muss vom behandelnden Arzt erfolgen.

Die Aufklärung des Patienten etwa über eine Operation muss vom behandelnden Arzt erfolgen.

© Kristian Sekulic / istockphoto.com

WIESBADEN. Das Patientenrechtegesetz ist im Februar 2013 in Kraft getreten. Daher gibt es noch keine Erfahrungswerte oder Rechtsentscheidungen darüber, ob und wo es im Alltag bei der Umsetzung hakt.

Es zeichnet sich ab, dass die neuen Zusatzregelungen im BGB oftmals einen organisatorischen Spagat verlangen und für viele Praxis- und Klinikärzte vor allem eines sind: Zeitfresser.

Paragraf 630e im BGB schreibt vor, dass die Aufklärung mündlich, "durch den Behandelnden oder durch eine Person erfolgen (muss), die über die zur Durchführung der Maßnahme notwendige Befähigung verfügt."

Ein Passus, der im Alltag nicht unproblematisch ist. "Delegieren an eine Mitarbeiterin ist nicht möglich - da ist der Gesetzgeber ganz deutlich", sagt etwa der Wiesbadener Fachanwalt für Medizinrecht Dirk Hartmann.

Eine Medizinische Fachangestellte (MFA) verfüge definitiv nicht über die notwendige Ausbildung. Doch wie sieht es bei Kollegen aus? Dürfen sie die Aufklärung übernehmen, etwa, wenn der Operateur gerade nicht im Haus ist?

"Ein Facharzt verfügt sicherlich über das notwendige Wissen", so Hartmann während eines Vortrages auf dem Internistenkongress in Wiesbaden.

Es sei allerdings heikel, wenn etwa ein Gastroenterologe einen Orthopäden vertrete. Er empfiehlt, auf die fachlichen Schwerpunkte zu achten.

Operateur sollte sich vorstellen

Um möglichen Klagen vorzubeugen, sollte sich der Operateur zumindest kurz vor dem Eingriff dem Patienten persönlich vorstellen.

Ansonsten bestehe ein Restrisiko: Der Patient könnte irrigerweise annehmen, dass derjenige, der das Aufklärungsgespräch geführt hat, auch der Operateur ist.

"In der Praxis kann das Ärger machen", so Hartmann. "Dann kommt man ja gar nicht mehr zum Operieren und ist nur noch am Aufklären", ärgerte sich ein Mediziner unter den Zuhörern über den organisatorischen Spagat, der da von ihm verlangt wird.

Dass die Regelung auch ins Geld gehen kann, zeigt folgende Geschichte: Ein Patient mit multiresistenten Erregern soll in einer Rehaklinik operiert werden. Der zuständige Arzt besteht darauf, den Patienten selbst in der Klinik aufzuklären und bestellt ihn ein.

Der Kranke wird mit dem Rettungswagen in die Klinik gefahren. Auf den Transportkosten in Höhe von 460 Euro bleibt die Klinik letztlich sitzen, die Kasse lehnt eine Kostenübernahme ab.

Ein deutlich erhöhter Dokumentationsaufwand kommt mit dem Paragrafen 630g BGB auf die Ärzte zu. Er sieht vor, dass Patienten jederzeit Einsicht in ihre Akten und Abschriften verlangen dürfen, es sei denn, dem stehen therapeutische Gründe entgegen.

"Da bestehen Spielräume, etwa bei Patienten mit psychischen Störungen, die vor sich selbst geschützt werden müssen", erklärt der Medizinrechtler.

Persönliche Notizen bleiben beim Arzt

Doch was ist mit persönlichen Notizen in den Akten? "Wenn ich da reinschreibe, dass der Patient nicht einsichtig ist, muss ich das dann auch herausgeben?" fragt ein Zuhörer. Hartmann winkt ab. Persönliche Eindrücke und Gekritzel seien Privatsache, die man nicht herausgeben sollte.

Er rät, die Kommentare vorher abzudecken oder ganz aus der Patientenakte zu löschen. Die Kosten für Kopien könnten dem Patienten in Rechnung gestellt werden. "Fragen Sie aber lieber vorher, ob er sie übernimmt." Auf keinen Fall sollten Ärzte die Originale herausgeben. "Das sind Urkunden."

Da auch die Abschriften der Aufklärungsbögen und Einwilligungserklärungen den Patienten auf Wunsch ausgehändigt werden müssen, führt Paragraf 630g im Praxisalltag zu höherer Auslastung von Kopierern und Scannern. "Benutzen Sie, wo es geht, Durchschläge", rät Hartmann. Im Streitfall lasse sich damit vor Gericht belegen, dass der Patient ordnungsgemäß aufgeklärt wurde.

Sorgfalt sollten Ärzte auch ihren Informationspflichten widmen. Nach Paragraf 630c BGB sind Behandler verpflichtet, Patienten "verständlich sämtliche wesentlichen Umstände" zu Diagnose und Therapie zu erläutern.

"Sind für den Behandelnden Umstände erkennbar, die die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen, hat er den Patienten darüber auf Nachfrage oder zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren zu informieren", heißt es weiter im Gesetzestext. "Ärzte müssen sich in einem Rechtsstreit nicht selbst belasten", sagt dazu Hartmann.

Wenn ein Arzt einen Patienten fehlerhaft behandelt habe, müsse er ihn darüber aufklären. Hartmann schildert ein Beispiel von einem Patienten, der sich während einer Op mit multiresistenten Erregern infiziert hat. "Eine Infusion war kontaminiert", so Hartmann.

Jeder Arzt hat es selbst in der Hand

Der Arzt müsse dem Patienten nicht erklären, warum dies geschehen ist, etwa, weil mit nicht-sterilem Besteck gearbeitet wurde. Der Arzt sei aber dazu verpflichtet, dem Patienten von der Kontamination zu erzählen und ihn zu bitten, sich ärztlich behandeln zu lassen.

"Damit hat er kein Anerkenntnis von Schadensersatzansprüchen gemacht", so Hartmann. Diese Aussage dürfe auch im Strafprozess nicht gegen den Arzt verwendet werden. "Ärzte müssen sich nicht selbst ans Messer liefern."

Das neue Patientenrechtegesetz mag Ärzten das Gefühl geben, gegängelt und getriezt zu werden. Negative Auswirkungen auf das Arzt-Patienten-Verhältnis hat es aber nicht per se. Jeder Arzt hat es auch weiterhin selbst in der Hand, wie er mit seinen Patienten umgeht.

"Wenn Sie Empathie zeigen, dann ist das kein Schuldeingeständnis", sagt Hartmann. Nach seinen Erfahrungen sind schon Gerichtsverfahren abgewendet worden, weil Ärzte auf Patienten zugegangen sind und "gesagt haben, dass es ihnen leid tut".

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