Sucht

Ein unterschätztes Problem der Ärzteschaft

Der Leistungsdruck in der Praxis kann eine unerwünschte Nebenwirkung auslösen - Sucht.

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BERLIN. Suchterkrankungen gelten als unterschätztes Problem der Ärzteschaft. Das geht aus dem AOK-Fehlzeitenreport hervor.

So hätten die auf die Behandlung von Ärzten spezialisierten Oberbergkliniken bereits 5000 abhängige Mediziner behandelt.

Als schwerstes Suchtmittel bei Ärzten gilt Alkohol. Vier bis fünf Prozent der Ärzte sollen davon abhängig sein. Das entspricht in etwa der Quote der gesamten Bevölkerung. 18 bis 20 Prozent der Ärzte rauchen (gesamt 38 Prozent).

Missbrauch von Menzodiazepine

Der AOK-Report geht davon aus, dass die Medikamentenabhängigkeit von Ärzten höher liegt als die der Allgemeinheit.

Zwölf Prozent der Ärzte missbrauchten Benzodiazepine. Substanzen, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen, spielen in der deutschen Ärzteschaft kaum eine Rolle. Höchstens ein Prozent der Ärzte wird damit in Verbindung gebracht. In den USA dagegen seien es fast vier Prozent.

"Der Leistungsdruck in den Praxen ist enorm hoch", bestätigte KBV-Pressesprecher Dr. Roland Stahl die Ausnahmesituation der niedergelassenen Ärzte.

Eine Erhebung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung im vergangenen Jahr habe ergeben, dass Ärzte im Schnitt mehr als 50 Stunden in der Woche arbeiteten.

Burn out sei unter Medizinern weit verbreitet. Bei dem von der Gesellschaft vorgegebenen Leistungsethos falle es schwer, Schwächen zu zeigen. Nicht jeder könne dann dem Griff zur Flasche oder zu den vergleichsweise leicht zu erlangenden Medikamenten widerstehen.

Ärzte keine leichten Patienten

Ärzte seien gegenüber anderen Berufsgruppen sogar suchtgefährdeter, heißt es bei der Landesärztekammer Baden-Württemberg.

Gründe seien die starke Belastung und die hohe Verantwortung, die der Beruf mit sich bringe. Schon früh hat sich die Ärzteschaft bei der Therapie suchtkranker Ärzte auf das Prinzip "Therapie statt Strafe" verständigt.

Mehrere Landesärztekammern halten strukturierte Behandlungs- und Betreuungsprogramme vor, um Ärzten den Ausstieg aus der Sucht zu ermöglichen. Dazu gehört auch die Vermittlung von Praxisvertretungen.

Ärzte seien keine leichten Patienten, heißt es in dem AOK-Fehlzeitenreport. Umgekehrt sind Ärzte oft die ersten, die bei ihren Patienten auf Anzeichen von Alkohol-, Medikamenten - und Drogenmissbrauch stoßen. Dafür sollten die Präventionsangebote ausgebaut werden, lautet eine Forderung.

"Der politische Rückenwind für eine praxisnahe Präventions- und Versorgungsforschung fehlt bisher", sagte der geschäftsführende Vorstand des AOK-Bundesverbands, Uwe Deh, bei der Vorstellung des Reports am Mittwoch in Berlin.

Größeren Schwerpunkt auf Primärversorgung legen

Der Deutsche Hausärzteverband hieb in einer ersten Reaktion in die gleiche Kerbe. Er fordert, dass die Früherkennung in der Hausarztpraxis zukünftig stärker gefördert werden müsse.

"Patienten und ihre Angehörigen werden oft allein gelassen", sagte Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes. "Deshalb sollte in dem Zusammenhang ein größerer Schwerpunkt auf die Primärversorgung gelegt werden."

Leistungserbringer sollten durch gezielte Schulungen in die Lage versetzt werden, zur Früherkennung auf Grundlage der bestehenden Hausarzt-Patienten-Bindung beizutragen, so Weigeldt weiter. (af /sun)

Lesen Sie dazu auch: AOK-Report: "Gehirndoping" bei der Arbeit nimmt zu

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