Corona-Pandemie
Ethikratvorsitzende zu Impfpflicht: „Wir brauchen das gar nicht“
Frankreich und Griechenland erhöhen in der Corona-Krise den Druck: Sind Beschäftigte im Gesundheitswesen nicht geimpft, müssen sie bald um ihren Job fürchten. Ist so etwas auch in Deutschland denkbar – oder nötig? Die Vorsitzende des Ethikrates hat dazu eine klare Meinung.
Veröffentlicht:Berlin. Die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Professor Alena Buyx, hält eine Corona-Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen in Deutschland für unnötig. Im ZDF-„Morgenmagazin“ wies Buyx am Dienstag darauf hin, dass der Ethikrat zwar ganz vorsichtig erklärt habe, unter bestimmten Umständen könnte man über solche berufsbezogenen, sehr eng begrenzten Impfpflichten nachdenken. „Allerdings würde ich sagen, dass diese Umstände gar nicht zutreffen“, betonte sie.
Erstens gebe es für die meisten vulnerablen Gruppen andere Möglichkeiten zum Schutz. „Und: Wir haben viel bessere Impfraten bei den unterschiedlichen Berufsgruppen als beispielsweise in Frankreich. Beim Gesundheitspersonal und bei den Lehrerinnen und Lehrern haben wir wirklich super Impfraten. Deswegen glaube ich, wir brauchen das gar nicht.“
Impfung bis Mitte September
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte am Montagabend eine Impfpflicht für Personal im Gesundheitsbereich verkündet. Bis Mitte September haben Angestellte in Krankenhäusern und Pflegeheimen sowie Arbeitskräfte mit Kontakt zu Risikopatienten nun Zeit, sich impfen zu lassen. Laut Gesundheitsminister Olivier Véran darf ungeimpftes Gesundheitspersonal danach nicht mehr arbeiten und wird nicht mehr bezahlt.
„Wir müssen in Richtung einer Impfung aller gehen, weil das vorerst der einzige Weg zurück zu einem normalen Leben ist“, sagte Macron. Dabei stelle sich auch für die Gesamtbevölkerung die Frage der Impfpflicht. Bisher sind etwa 53 Prozent der Menschen in Frankreich mindestens einmal gegen Corona geimpft.
In Deutschland hatte der Humangenetiker Professor Wolfram Henn, ebenfalls Mitglied des Ethikrats, am Montag eine Corona-Impfpflicht für Beschäftigte in Schulen und Kitas gefordert. Buyx erklärte, der Kollege spreche für sich. „Ich glaube nicht, dass das kommt, weil wir das wirklich nicht brauchen werden.“ Allerdings mache auch ihr die Situation der jungen Generation Sorgen. Sie verwies darauf, dass es für die 12- bis 17-Jährigen derzeit keine allgemeine Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission gibt und für Kinder unter zwölf noch keinen in der EU zugelassenen Impfstoff.
„Man kann ja nicht sagen, wir lassen das Virus jetzt durch diese Gruppen krachen oder wir schauen zu, wie die Schulen wieder zumachen müssen, weil da einfach völlig ungeregelte Infektionen stattfinden“, sagte Buyx. „Da muss jetzt unbedingt was passieren, um diese Gruppen auch gut zu schützen.“
Griechenland: Impfen oder Freistellung
Auch in Griechenland müssen sich Beschäftigte im Gesundheitssektor und in der Altenpflege künftig verpflichtend impfen lassen. Andernfalls können sie von ihrer Arbeit freigestellt werden. „Wir werden das Land wegen der Haltung einiger nicht wieder schließen“, sagte der griechische Premier Kyriakos Mitsotakis am Montagabend bei einer Ansprache im Staatsfernsehen.
Die Patienten auf den Intensivstationen seien „zu 99 Prozent nicht geimpft“, begründete Mitsotakis die Maßnahme. Die Impfpflicht gilt künftig auch für alle Wehrpflichtigen. Die Zahl der Neuinfektionen war in Griechenland in den vergangenen zehn Tagen nach umfassenden Lockerungen in die Höhe geschnellt. (dpa)