Homöopathie

Evidenz: Globuli-Deklaration soll deeskalieren

Homöopathie-Ärzte nehmen Stellung zur strittigen medizinischen Evidenz von Globuli & Co. Und mahnen Wissenschaftspluralismus an.

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BERLIN. „Angesichts fehlender Plausibilität zu den Wirkprinzipien der Homöopathie ist es Mode geworden, deren therapeutische Wirksamkeit in Abrede zu stellen, obwohl die hierzu publizierte Evidenz für eine Wirksamkeit spricht. Dennoch werden als Ausdruck von Ignoranz oder einer bewussten Stimmungsmache gegen die Homöopathie wissenschaftliche Fehlinformationen lanciert.“

Mit diesen Worten kritisiert Professor Peter Matthiessen, Vorsitzender des Sprecherkreises des Dialogforums Pluralismus in der Medizin, die Homöopathiegegner – und zwar in einer jetzt veröffentlichten „Homöopathie-Deklaration“.

In seiner öffentlichen Stellungnahme wirbt Matthiessen für das Modell der Integrativen Medizin. Darunter versteht er „eine vollorchestrierte Gesundheitsversorgung, die den individuell unterschiedlichen Bedürfnissen und Präferenzen der Bevölkerung zu entsprechen sucht“, die als Grundlage eines „kritischen, aber unvoreingenommenen Kooperationsgefüges zwischen Mainstreammedizin und ausgewählten komplementärmedizinischen Ansätzen“ bedürfe.

Matthiessen versucht offensichtlich, in Zeiten massiver Angriffe auf die Homöopathie durch den Münsteraner Kreis um die Medizinethikerin Professor Bettina Schöne-Seifert, die der Homöopathie jedwede medizinische Evidenz abspricht und sie deswegen aus dem medizinischen Versorgungsalltag verbannt sehen will, die Wogen zu glätten und die Arbeit der homöopathisch tätigen Ärzte in Deutschland – mehr als 7000 Ärzte in Deutschland führen die Zusatzbezeichnung Homöopathie – in ruhigeres Fahrwasser zu lenken.

Unterstützung erhält Matthiessen dabei unter anderem von der Hufelandgesellschaft – Ärztlicher Dachverband für Naturheilkunde und Integrative Medizin, der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Homöopathie, dem Deutschen Zentralverein homöopathischer Ärzte, der Gesellschaft anthroposophischer Ärzte in Deutschland, der Deutschen Ärztegesellschaft für Akupunktur, dem Privatärztlichen Bundesverband sowie dem Bürger- und Patientenverband Gesundheit Aktiv, die die Homöopathie-Deklaration mit unterzeichnet haben.

Als Erstautor der Deklaration verweist Matthiessen im Zusammenhang mit der Evidenz-Problematik der Homöopathie auf die Grundsätze der Professionalität, denen sich die Unterzeichner freiwillig unterwürfen. Diese beinhalteten eine Verpflichtung zur Wissenschaftlichkeit. Das gelte für die konventionelle Medizin wie für die Komplementärmedizin gleichermaßen.

Mit dem Verweis auf die Erkenntnis- und Wissenschaftstheoretiker Thomas Kuhn und Ludwig Fleck, die den Pluralismus in der wissenschaftlichen Beurteilung propagierten, verwahrt sich Matthiessen gegen alle, „die gegenwärtig mit eschatologischer Verbissenheit den Ausschluss der Komplementärmedizin von der Erstattungsfähigkeit durch die Kostenträger und ein Verbot der Homöopathie bzw. die Abschaffung der homöopathischen Arzneimittel fordern“, wie es in der Deklaration heißt.

Dem Staat sei es verfassungsrechtlich untersagt, einen bestimmten Wissenschaftsansatz zu privilegieren. Dementsprechend bestehe auch für die homöopathischen Arzneimittel beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine eigene Aufbereitungskommission, würden Arzneimittel im Homöopathischen Arzneibuch (HAB) geregelt und seien im SGB V verankert. (maw)

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Kommentare
Dr. Edmund Berndt 11.02.201914:25 Uhr

Magiester der Homöopathie - Heilung durch Glauben

Das Phänomen „Homöopathie“ an sich ist nach wie vor unbewiesen. Es gibt keine wie immer gearteten, reproduzierbaren, objektiven und belastbaren Beweise für die viel beschworene und hochgelobte stofflich kausale Wirksamkeit. Subjektive Erfahrungen und Anekdoten sind nicht beweisend. Die Erklärungen, wie Homöopathie wirkt, widersprechen allen Erkenntnissen der Naturwissenschaften.
„Simileprinzip“ und „Potenzieren“, die theoretischen Grundannahmen die Homöopathie, beruhen auf magischen Vorstellungen. Unser gesamtes gesichertes, erprobtes und bewährtes Wissen in allen naturwissenschaftlichen Disziplinen inklusive Biologie und Medizin, wurde ohne irgendeinen Beitrag der Homöopathie erforscht bzw. entdeckt. Dieses Faktum prallt an den persönlichen Überzeugungen, dem Glauben der Anhänger bzw. am dogmatischen Lehrgebäude der Homöopathie ab.
Das Theoriegebäude der Homöopathie kollabiert augenblicklich, wenn irgend eine „Weisheit“ von Samuel Hahnemann angezweifelt oder diskutiert wird. Daher gibt es unter Homöopathen keine fachkritischen Dispute oder Diskussionen. Jede, auch nur irgendwie begründete Kritik oder Zustimmung an der klassischen Homöopathie oder irgend einer der zahlreichen modischen Varianten, stellt auch die Homöopathie als Ganzes in Frage. Zur Wirksamkeit kursieren zahllose Scheinargumente. Jeder kann seine spezielle Homöopathie, wie skurril auch immer, anbieten, ohne Fachkritik befürchten zu müssen. Das Internet ist voll Reklame für höchst skurrile Spielarten der Homöopathie und phantastischen Erklärungen.
Die positive Meinung in der Öffentlichkeit ist kein Zufall. Eigene Presseagenturen, auf Homöopathie spezialisiert, machen bezahlte PR-Arbeit. Homöopathieforschung wird gesponsert. Ärztliche und nichtärztliche Homöopathievereine werden von Homöopathiefirmen betreut. Homöopathie wird als natürliche, biologische, sanfte, unschädliche, nebenwirkungs- u. chemiefreie Alternative zur „chemischen“ Schulmedizin dargestellt.
Ständig erschienen quer durch die Medien mehr oder weniger wohlwollende Artikel über die Homöopathie. Tenor der Berichterstattung ist, dass man doch die Homöopathie nicht verbieten könne, dass die Homöopathie ja nebenwirkungsfrei sei und in die Schulmedizin integriert werden sollte. Nach dem Motto: „Hilft‘s nix, so schad‘t‘s nix!“ werden die Unwirksamkeit und ethisch- moralische Einwände relativiert. Praktisch nie wird in den Medien über die magischen Wurzeln der Homöopathie und über das „Wie“ der Unwirksamkeit aufgeklärt.
Der Unmut über die Kritik an der Homöopathie ist beträchtlich. Die Suche nach Wählerstimmen macht vor nichts halt. Auch mit dem Wunsch vieler Wähler nach bezahlter Magie können Wahlen gewonnen werden. Es fehlt nur noch ein „amtlicher“ Titel für homöopathisch ausgebildete Ärzte und Apotheker. Mein Vorschlag wäre „Magiester der Homöopathie“.

Dr. Joseph Kuhn 10.02.201917:39 Uhr

Methodisch evident Unvertretbares

Für den Bonner Jurist Klaus Gärditz ist die Homöopathie "methodisch evident Unvertretbares, das hinter basale Rationalitätserwartungen der Zeit zurückfällt" und damit gar nicht mehr von der Wissenschaftsfreiheit gedeckt:
https://www.forschung-und-lehre.de/wieviel-freiheit-darf-sich-ein-wissenschaftler-nehmen-329/

Dr.med. Jan Oude-Aost 07.02.201918:20 Uhr

Ironie

"Dem Staat sei es verfassungsrechtlich untersagt, einen bestimmten Wissenschaftsansatz zu privilegieren. Dementsprechend bestehe auch für die homöopathischen Arzneimittel beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine eigene Aufbereitungskommission, würden Arzneimittel im Homöopathischen Arzneibuch (HAB) geregelt und seien im SGB V verankert."

Bin ich der einzige, dem die Ironie in diesem Absatz auffällt? Durch den sogenannten "Binnenkonsens" sind die "besonderen" Therapierichtungen gegenüber richtiger Medizin privilegiert. Wenn der erste Satz des Absatzes stimmt, müsste der zweite einen Verfassungsbruch darstellen.

Dipl.-Med Peter Sturm 07.02.201915:46 Uhr

Doppelblindstudien?

Ich vermisse eine hohe Anzahl an Doppelblindstudien zur Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Homöopathie. Wenn es viele positive Studien gäbe, würden die Homöopathen diese permanent anführen. Entweder gibt es keine, oder es gibt welche, die aber negativ für die Homöopathie ausgefallen sind und deshalb nicht veröffentlicht wurden.

Matthias Urlichs 06.02.201919:03 Uhr

Soso, "Wissenschaftspluralismus".

Ich fordere demnächst beim Sprung vom Turm der Nürnberger Burg eine weiche Landung, und mahne somit Schwerkraftpluralismus an.

Homöopathie ist *nicht* "wissenschaftlich", egal wie man den Begriff definiert (oder gerne möchte, dass der Gesetzgeber dies tut). Dass sie von Ärzten praktiziert und von gesetzlichen Kassen erstattet wird, ist somit abzulehnen.

Eigentlich ganz einfach. Oder?

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