Kongress Armut und Gesundheit

Fehlende Sprachmittlung ist zentral für Diskriminierung im Gesundheitswesen

Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte haben häufig einen erschwerten Zugang zur Gesundheitsversorgung und eine schlechtere Gesundheitsprognose. Dem begegnet das Projekt „Empowerment für Diversität“ der Berliner Charité mit verschiedenen Maßnahmen. Zu den größten Problemen gehören Sprachbarrieren und fehlende Sensibilität für Diskriminierung.

Bettina KrachtVon Bettina Kracht Veröffentlicht:
Frau mit Kopftuch und Kind im Arm

Die Auswirkungen von Verständigungsproblemen sind im Zusammenhang von Schwangerschaft und Geburt besonders gravierend. (Symbolbild mit Fotomodellen)

© kamonrat / stock.adobe.com

Berlin. Dass bestimmte Personengruppen im deutschen Gesundheitswesen diskriminiert werden, ist bereits Ergebnis verschiedener Studien. Was bisher fehlt, um dem vorzubeugen, sind handlungsorientierte und flächendeckend implementierte Maßnahmen.

„Empowerment für Diversität – Allianz für Chancengleichheit in der Gesundheitsversorgung“, ein von der Stiftung Mercator gefördertes Projekt an der Berliner Charité, beschäftigt sich damit, solche zu entwickeln. Der Fokus liegt dabei auf Strukturen in der stationären Gynäkologie und Geburtshilfe. Beim 30. Kongress Armut und Gesundheit am Dienstag wurden aktuelle Ergebnisse vorgestellt.

Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte und Menschen mit niedrigem sozioökonomischem Status erfahren häufig systematische Diskriminierung und erhielten eine schlechtere Versorgung, fasste Projektkoordinatorin Tuğba Yalçinkaya einige der empirischen Ergebnisse zusammen. Zudem liefen Menschen, die Rassismus erlebten, Gefahr, einen schlechteren Gesundheitszustand zu entwickeln. Sie haben außerdem ein höheres Risiko, vom Gesundheitspersonal nicht ernst genommen zu werden.

Erhöhtes Risiko für Komplikationen

Diese Personengruppen haben einen erschwerten Zugang zur Gesundheitsversorgung. Viele nähmen diese nur verzögert oder gar nicht in Anspruch. Zudem erleben viele im Kontakt mit Menschen aus Gesundheitsberufen keinen diversitätssensiblen Umgang mit ihrer Lebensrealität.

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Die Auswirkungen im Kontext von Schwangerschaft und Geburt seien für geflüchtete Frauen besonders gravierend, denn sie haben ein erhöhtes Risiko für Komplikationen wie Frühgeburten und Mütter und Kinder haben eine schlechtere Gesundheitsprognose als solche ohne Migrations- und Fluchtgeschichte.

Qualifizierte Sprachmittlung sei ein zentrales Element für eine diskriminierungsfreie Behandlung. Denn können sich die Frauen nicht verständlich machen, werde zum einen nicht richtig auf ihre Bedürfnisse eingegangen. Nicht ausreichende Sprachkenntnisse führen aber auch dazu, dass diese Frauen im Kreißsaal nur eine medizinisch notwendige Betreuung bekämen, weitere psychosoziale Betreuung falle oft unter den Tisch. Außerdem berichteten befragte Mütter, dass sie bei ungelösten Sprachbarrieren keine Fragen stellen konnten, keine Wahl hatten und keine informierte Gesundheitsentscheidung treffen konnten, sich ausgeliefert und diskriminiert fühlten.

Gravierende Fehlinformationen und Versorgungsdefizite

Die Sprachbarrieren führen außerdem zu gravierenden Fehlinformationen und Aufklärungs- und Versorgungsdefiziten vor, während und nach der Geburt. Bei gelingender Verständigung würde die Versorgung deutlich besser bewertet.

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Das Empowerment-Projekt beinhaltet die Entwicklung von Maßnahmen in fünf verschiedenen Schwerpunktbereichen, die miteinander verwoben sind. Dazu gehören unter anderem die diskriminierungsfreie Organisationsentwicklung in Kliniken für Geburtshilfe und Gynäkologie, um Diskriminierungen auf struktureller Ebene zu begegnen. Hier werden gemeinsam mit bundesweit sieben Kliniken diskriminierende Strukturen analysiert und individuelle Maßnahmen entwickelt, berichteten Anthea Backfisch und Sybill Schulz von der Charité.

Eine der Maßnahmen, die in der Entwicklung ist, ist bei der Ärztekammer Hamburg angesiedelt, die bestehende Kurse für Ärztinnen, Ärzte und medizinisches Fachpersonal um das Thema Sensibilisierung für Diskriminierung erweitern möchte.

Auch im ambulanten Sektor sind Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte vielfach von Diskriminierung betroffen, berichtet die Projektleiterin, Theda Borde der Ärzte Zeitung. Dazu gebe es zwar wenig Forschung, aber eine Studie zur Inanspruchnahme von Rettungsstellen habe ergeben, dass Betroffene, für die die ambulante Versorgung nicht zufriedenstellend gewesen ist, eher in eine Rettungsstelle gehen, weil sie dort eher Diversitätskompetenz erwarten. In der Entwicklung sei daher auch ein Weiterbildungsmaßnahme zur Erweiterung der Diversitäts- und Rassismus-Kompetenz, die sich an werdende Hausärztinnen und Hausärzte wendet.

Ende 2025 sollen alle erarbeiteten Maßnahmen anderen Gesundheitseinrichtungen und Bildungseinrichtungen zur Verfügung gestellt werden. (bkr)

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Kommentare
Andreas Hoffmann 18.03.202521:05 Uhr

Es wäre schön, wenn auch mal die andere Seite betrachtet werden würde: Die MFA, die sich Beschimpfungen anhören müssen, weil sie nicht arabisch oder russisch sprechen, die Ärzte, die doppelt und dreimal so lange brauchen, um Patienten mit Freunden als „Dolmetscher“ oder gar Übersetzungs-App zu versorgen, dafür aber keinen Cent mehr bekommen, sondern im Falle von Asylbewerbern noch deutlich weniger abrechnen können (und oft selbst dies vom Amt dann noch streitig gemacht zu bekommen). Darf das erwähnt werden, oder ist man dann schon Rassist?

Dr. Thorsten Schmidt 18.03.202519:01 Uhr

Die Sprachbarrieren sind das Problem. Wenn der Patient kein Deutsch kann, kann der Deutsche Arzt nicht helfen. Es muss daran gearbeitet werden das rassismus auch durch die Sprachbarriere gefördert wird.

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