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Frühwarnsystem für Alzheimer
Diagnostische Biomarker sollen potenziellen Alzheimer-Patienten einen allzu frühzeitigen Ausbruch der Krankheit ersparen. Forscher sind zuversichtlich, dass dies schon in drei Jahren der Fall sein könnte.
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Steigt die Zahl der Demenzpatienten doch nicht so stark wie lange befürchtet. Wissenschaftler gehen davon aus.
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BERLIN. Die Zahl der an einer Demenz erkrankten Menschen wird nicht so dramatisch ansteigen, wie dies bislang angenommen worden ist.
Darauf hat Professor Frank Jessen von der Universität Bonn beim Hauptstadtsymposium der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde hingewiesen.
"In jeder Altersstufe werden weniger Menschen dement als gedacht", sagte Jessen. Dies könne mit einem sich verändernden Lebensstil zusammenhängen. Die Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen schütze möglicherweise auch das Gehirn.
Bislang war die Forschung davon ausgegangen, dass sich die Zahl der im Jahr 2010 rund 1,4 Millionen an einer Demenz erkrankten Menschen jedes Jahr um rund 300.000 erhöhen werde.
Medikamente sollen Demenz verzögern
Fortschritte sieht Jessen auch bei der Entwicklung medikamentöser Therapien vor allem gegen die Alzheimer-Krankheit als die häufigste Form von Demenz.
Bis in drei Jahren rechnet der Experte für neurodegenerative Erkrankungen mit ersten Ergebnissen dazu, wie mittels diagnostischer Biomarker frühzeitige Interventionen ermöglicht werden könnten.
"Es besteht die Hoffnung, dass neue Medikamente dann in der Lage sind, den Beginn der Demenz tatsächlich zu verzögern", sagte Jessen.
Deshalb fokussiere die Forschung derzeit auf die Früherkennung der Alzheimer Krankheit vor deren eigentlichem Ausbruch. Mit Möglichkeiten, die Krankheit zu heilen, rechne er allerdings noch auf viele Jahre hinaus nicht.
Jessen forderte die öffentliche Hand auf, ihre Forschungszuschüsse nicht ausschließlich auf die Therapien der Alzheimer-Krankheit zu konzentrieren. "Die seltenen Demenzen werden zu wenig beforscht", sagte Jessen. Insgesamt herrsche im Gesundheitswesen bei der Versorgung von Demenzkranken eine "Unterprofessionalisierung".
Demenzkranke erhalten oftmals keine leitliniengerechte Therapie
In die gleiche Kerbe hieb auch DGPPN-Präsident Professor Wolfgang Maier. "Wir haben eine behindertengerechte Gesellschaft. In der Zukunft brauchen wir auch eine demenzgerechte Gesellschaft", sagte Maier.
Dass die noch nicht umgesetzt sind, zeigen Zahlen der DGPPN aus der stationären Versorgung. Demnach unterscheidet sich der Versorgungsgrad demenzkranker Pflegeheimbewohner mit Pharmaka von dem nicht demenzranker Bewohner.
So erhielten die Bewohner mit Demenz (38,2 Prozent) signifikant häufiger Neuroleptika als kognitiv Unbeeinträchtigte (22,9 Prozent). Umgekehrt waren die Demenzkranken schmerztherapeutisch schlechter versorgt.
Das deute darauf hin, dass das Hauptproblem der Pflege an einer Demenz erkrankter Menschen in der Medizin zu suchen sei. Ärzte müssten sich stärker auf die nachlassende Kommunikationsfähigkeit der Betroffenen einstellen.
Längst nicht alle Demenzkranken erhielten eine Diagnose und eine leitliniengerechte Therapie, betonte Swen Staack vom Vorstand der Deutschen Alzheimer Gesellschaft. Es bedürfe größerer Anstrengungen, um den Wissensstand um die Behandlung von Demenzkranken in der Fläche stärker zu verbreiten.
Das gelte auch für das Personal in Krankenhäusern, das besser auf diese Patientengruppe vorbereitet werden müsse, sagte Staack. Zudem lasse die fach- und zahnärztliche Versorgung in Pflegeheimen zu wünschen übrig. (af)