Umgang mit der Pandemie
Fünf Jahre nach Beginn des Lockdowns – KBV-Chef Gassen fordert konsequente Aufarbeitung
Waren alle Corona-Maßnahmen gerechtfertigt? Fünf Jahre nach dem ersten Lockdown werden Rufe nach einer ehrlichen Bilanz lauter. Auch mit Blick auf künftige Pandemien.
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Abgesperrte Spielplätze ab März 2020: Kinder und Pflegebedürftige litten besonders unter dem Lockdown, der vor fünf Jahren beschlossen wurde.
© Bernd von Jutrczenka / dpa
Berlin. Zum fünften Jahrestag des ersten Corona-Lockdowns in Deutschland mehren sich die Forderungen nach einer umfassenden Aufarbeitung. Im Blickpunkt stehen dabei vor allem zwei Fragen: Waren die oft sehr strikten Corona-Maßnahmen gerechtfertigt? Und was müssen wir für künftige Pandemien daraus lernen?
Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, forderte am Sonntag eine konsequente und umfassende Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen. „Wir brauchen diese Erkenntnisse, um für die nächste Pandemie gewappnet zu sein, die – und das ist leider nur eine Frage der Zeit – kommen wird“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Außerdem stehe die Glaubwürdigkeit von Politik auf dem Spiel, wenn weiterhin keine Aufarbeitung erfolge, fügte er hinzu – „mit der fatalen Konsequenz, dass die Bürgerinnen und Bürger zunehmend das Vertrauen in staatliches Handeln verlieren“. Dies lasse sich auch an den letzten Wahlergebnissen deutlich ablesen.
Diskussion über BND-Erkenntnisse
Gassen verwies auf Medienberichte über angeblich zurückgehaltene Erkenntnisse des Bundesnachrichtendienstes zum Ursprung der Pandemie. Vor diesem Hintergrund „wäre eine konsequente Evaluation der damaligen politischen Entscheidungen wichtiger denn je“, betonte er.
Konkret forderte der Kassenärzte-Chef die Einrichtung einer Enquetekommission: „Dabei soll es nicht um Schuldzuweisungen gehen, sondern um die Frage: Was ist gut gelaufen? Welche Maßnahmen haben sich als falsch erwiesen oder wurden vielleicht gar nicht wirklich befolgt?“
Gassen kritisierte politischen Widerstand gegen eine Aufarbeitung. Es sei „schwer erträglich, dass einige derjenigen, denen damals keine Maßnahme hart genug sein konnte, sich in einer Art Geschichtsklitterung immer noch als Retter der Nation gerieren und einer ehrlichen Aufarbeitung im Weg stehen“.
„Die größten Fehler in der Altenpflege“
Nach Ansicht der Deutschen Stiftung Patientenschutz muss der neue Bundestag dringend die Corona-Maßnahmen aufarbeiten. „Die größten Fehler wurden in der Altenpflege gemacht“, sagte Vorstand Eugen Brysch am Sonntag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Schließlich hätten die Pflegeheime „zu den Brennpunkten und nicht zu den Brutstätten des Virus“ gezählt.
„Das höchste Opfer des Politikversagens brachten die Pflegebedürftigen“, kritisierte er weiter. Denn die Politik habe alles machen wollen, aber dabei „das Wichtige aus den Augen verloren. Der Grundschutz in der Langzeitpflege fehlte, ein überzeugendes Testregime gab es nie, und zusätzliche Hilfskräfte sowie Ausweichquartiere waren nicht mal angedacht.“
Der erste Corona-Lockdown in Deutschland wurde vor genau fünf Jahren – am 16. März 2020 – beschlossen und trat am 22. März in Kraft. Er war mit zahlreichen Einschränkungen im öffentlichen Leben verbunden. Der Corona-Lockdown endete mit den ersten Lockerungen nach sieben Wochen am 4. Mai 2020. (KNA)