Kassen in Alarmstimmung
GKV-Chefin Pfeiffer: Pflege steht das Wasser bis zum Hals
Die Pflegeversicherung hat 2024 rund 1,5 Milliarden Euro Miese gemacht. Die Prognosen für dieses Jahr seien nicht viel besser, warnt der GKV-Spitzenverband. Die Koalitionäre müssten gegensteuern.
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„Abwärtsspirale verhindern“: GKV-Chefin Dr. Doris Pfeiffer zur Pflegeversicherung.
© Frederic Kern/Geisler-Fotopress/picture alliance
Berlin. Auf die neue Bundesregierung kommt mit der Pflege eine weitere Großbaustelle zu. Der GKV-Spitzenverband erklärte am Freitag, die finanzielle Situation in der sozialen Pflegeversicherung (SPV) spitze sich immer mehr zu.
Das vergangene Jahr habe die SPV mit einem Defizit in Höhe von 1,54 Milliarden Euro abgeschlossen. Und obwohl der Gesetzgeber Anfang des Jahres den Beitragssatz um 0,2 Prozentpunkte angehoben hat, erwartet der Verband für das laufende Jahr ein Defizit von rund einer halben Milliarde Euro.
Zuletzt musste eine Pflegekasse erstmals eine kurzfristige Liquiditätshilfe aus dem Ausgleichsfonds beim Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) beantragen. Kassenvordere fürchten, es könne hier zu Domino-Effekten kommen.
„Finanzentwicklung ist besorgniserregend“
Auch GKV-Chefin Dr. Doris Pfeiffer zeigte sich alarmiert: „Wir haben noch drei Viertel des Jahres vor uns und die Finanzentwicklung in der Pflege ist besorgniserregend.“ Nach einer ersten Pflegekasse würden dieses Jahr voraussichtlich weitere Pflegekassen auf kurzfristige Unterstützung zur Sicherung ihrer Liquidität angewiesen sein. „Das lässt uns mit großer Sorge auf den weiteren Jahresverlauf blicken.“
Nach jetzigem Stand kann laut GKV-Verband zwar bis Jahresmitte die Liquidität des Pflege-Ausgleichsfonds und damit die Zahlungsfähigkeit aller Pflegekassen gesichert werden. Dafür habe jedoch die Ausgabendeckungsquote von ursprünglich 100 Prozent einer Monatsausgabe weiter auf 40 Prozent abgesenkt werden müssen.
„Mit dieser Maßnahme gewinnt der Pflege-Ausgleichsfonds etwas Luft, aber das reicht nicht bis zum Ende des Jahres“, prophezeite Pfeiffer. Der Pflege stehe das Wasser bis zum Hals und der Pegel steige.
Ausgleichfonds braucht Finanzmittel
Aufgabe des Ausgleichsfonds ist es, die Zahlungsfähigkeit der Pflegekassen sicherzustellen. Er bildet damit die Reservekasse, um Schwankungen kassenübergreifend auszugleichen. Der Fonds laufe allerdings allmählich leer, warnte Pfeiffer. Anfang 2024 seien in dem Topf noch rund 1,8 Milliarden Euro vorhanden gewesen, Ende 2024 seien die Mittel auf rund eine Milliarde Euro zusammengeschrumpft.
„Ohne zusätzliche Finanzmittel wird der Pflege-Ausgleichfonds in wenigen Monaten ausgeschöpft sein“, so Pfeiffer. Das würde schlussendlich eine weitere Absenkung der Deckungsquote notwendig machen und weitere Pflegekassen bräuchten Finanzspritzen. Die Politik müsse handeln, um diese Abwärtsspirale zu stoppen, appellierte die GKV-Chefin.
Hoffen auf Steuermilliarden vom Bund
In ihrem Sondierungspapier haben Union und SPD unter anderem eine „große Pflegereform“ angekündigt. Ob dies auch Steuermilliarden für die Pflegekassen bedeutet, ist – Stand jetzt – offen. Die Kassen pochen jedenfalls darauf.
Zuvörderst fordern sie, dass der Bund die Gelder zur Finanzierung zahlreicher Corona-Maßnahmen an die Pflegeversicherung zurückzahlt. Hier sitzen die Kassen auf rund 5,5 Milliarden Euro.
Zudem müsse die Politik Sorge tragen, dass die Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige aus Bundesmitteln finanziert werden – summa summarum macht dieser Posten jährlich 3,6 Milliarden Euro aus. Beide Maßnahmen würden der Pflege eine finanzielle Atempause verschaffen, um danach grundlegende Reformen angehen zu können, erklärte der GKV-Verband. (hom)