Pflege
Generalistische Ausbildung vor dem Aus?
Die Reform der generalistischen Pflegeausbildung droht zu kippen. CDU-Experte Erwin Rüddel warnt, dass das neue Gesetz den Fachkräftemangel in der Altenpflege verschärfen werde und empfiehlt, das Vorhaben zu überdenken.
Veröffentlicht:BERLIN. Das geplante Pflegeberufegesetz droht zu scheitern, schon bevor es endgültig entworfen ist. Das geht aus einem dreiseitigen Schreiben des CDU-Pflegeexperten Erwin Rüddel hervor. Er befürchtet darin, dass das Gesetz die Personalprobleme in der Altenpflege noch verschärfen werde.
Die Bundesregierung plant, die drei Ausbildungen in der Gesundheits- und Krankenpflege, der Kinderkrankenpflege sowie der Altenpflege in einer Basisqualifizierung zusammenzuführen.
Im Juni war ein vorläufiger Arbeitsentwurf für das Pflegeberufegesetz vorgestellt worden, den das Gesundheits- und Familienministerium gemeinsam erarbeitet hatten. Eine generalisierte Ausbildung soll insbesondere die Altenpflege stärken, in der schon jetzt viele Fachkräfte fehlen.
Genau das bezweifelt Erwin Rüddel inzwischen und verweist dazu auf ein Gutachten des Bundesbildungsministeriums. Demnach herrsche in fast allen Ländern mit generalistischer Pflegeausbildung ein Fachkräftemangel in der Altenpflege. Schließlich dominierten in deren Curricula die Inhalte der Krankenpflege.
Angst um die Qualität
Zudem werde der Praxisanteil der Altenpflege um etwa die Hälfte gekürzt. "Langfristige Altenpflege aber ist etwas anderes als Akutkrankenpflege. In unserer rasch alternden Gesellschaft bedarf es gut ausgebildeter Spezialisten. Es ist fraglich, ob der Qualitätsanspruch in einer generalistischen Ausbildung gewährleistet ist", sagt er.
Der CDU-Abgeordnete verweist auch auf die Krankenhaus- und die Pflegereformen, die viel Geld für mehr Pflegepersonal vorsehen. "Dies muss auch in der Praxis umsetzbar sein", mahnt er. In der Kombination mit der zunehmenden Akademisierung aber stehe genau das auf dem Spiel.
"Je mehr akademisiert wird, desto weniger Pflegekräfte arbeiten dann tatsächlich aktiv am Pflegebett", sagte er. Für viele Pflegeeinrichtungen werde es dann unattraktiv, einen Jugendlichen auszubilden, der innerhalb von drei Jahren vielleicht nur etwa bis sieben Monate im Betrieb ist.
"Wir wollen Qualität in der Ausbildung. Wir brauchen aber auch für viele Menschen einen Zugang, damit die zusätzlichen Leistungen, die wir durch die Pflegestärkungsgesetze schaffen, in der Praxis erbracht werden können", schreibt Rüddel. Er will daher die Zugangswege auch für gute Hauptschüler offen halten.
Vorhaben droht zu scheitern
Offenbar droht das Vorhaben aber nun zu scheitern: "Es mehren sich die Hinweise, dass die Verhandlungen zwischen dem Bundesgesundheitsministerium und dem Bundesfamilienministerium zu keinem gemeinsamen Ergebnis führen könnten", schreibt Rüddel.
Die Generalistik sei jetzt nicht mehr zu retten, schreibt er weiter. Besser sei es, das gesamte Vorhaben noch einmal grundsätzlich zu überdenken.
Insbesondere den SPD-Familienpolitikern wirft er vor, "das Gesetzgebungsverfahren durch überflüssige Ideologie" zu belasten. Zudem erschwere die förderale Struktur, einen Konsens zu finden. Für die Altenpflegeausbildungen sind die Länder zuständig und oftmals sind daran mehrere Ressorts - Gesundheit, Senioren, Wissenschaft, Bildung und Finanzen - beteiligt.
"Ich möchte die generalistische Ausbildung nicht grundsätzlich verteufeln, aber die Situation ist völlig verzettelt, weil mehrere Probleme auf einmal gelöst werden sollen.
Bernd Meurer vom Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste hat sich am Montag ebenfalls skeptisch geäußert: "Wenn die Ausbildung in der Altenpflege unattraktiver wird, verstärkt sich der Fachkräftemangel", sagte er mit Blick auf die Folgen einer generalistischen Pflegeausbildung.
Weitere Stellungnahmen - etwa vom Deutschen Pflegerat, vom Büro Laumann oder aus der SPD-Bundestagsfraktion - waren angefragt, lagen aber bei Redaktionsschluss nicht vor.