Antibiotika
Hessen sagt Resistenzen den Kampf an
Gesundheitsproblem Antibiotikaresistenzen: Unter dem Motto "Weniger ist mehr" ist in Hessen nun ein neues Projekt gestartet. Es setzt auf Patienten und Ärzte gleichermaßen.
Veröffentlicht:FRANKFURT/MAIN. Im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen ist in Hessen am Donnerstag ein neues Kooperationsprojekt gestartet. Landesärztekammer und KV Hessen, die vier hessischen MRE-Netzwerke sowie weitere Berufsverbände wollen mit dem Projekt einerseits Patienten, andererseits Ärzte für eine zurückhaltende Verordnungspraxis sensibilisieren.
Insbesondere bei Atemwegsinfektionen bestehe ein großes "Sparpotenzial" bei Antibiotika-Verordnungen, sagte Professor Ursel Heudorf, Vorsitzende des MRE-Netzes Rhein-Main, bei der Vorstellung des Projektes "Weniger ist mehr". 80 Prozent seien viral bedingt und daher nicht mit Antibiotika behandelbar - was vielen Patienten jedoch nicht klar sei.
"Unser Informationsmaterial für die Praxis legt den Patienten dar, wie sie Erkältungsbeschwerden lindern können." Darüber hinaus müsse ein Bewusstsein dafür entstehen, dass ein Arzt kein schlechter Arzt sei, nur weil er im konkreten Fall kein Antibiotikum verordnet.
Niederlande nutzt wenig Antibiotika
Ein Blick in die Nachbarländer zeige, welche Auswirkung Patienten auf die Verordnungspraxis haben können. Während Deutschland mit 12,5 durchschnittlichen Tagesdosen Antibiotika pro 1000 Einwohner im "moderaten" Bereich liege, wiesen die Niederlande mit 10,0 Dosen den weltweit niedrigsten Wert auf, erklärte Dr. Gottfried von Knoblauch zu Hatzbach, Präsident der LÄK Hessen.
"In Frankreich aber werden 32,9 Tagesdosen verschrieben. Hier hat der Druck der Patienten eine deutliche Steigerung der Verordnungen ausgelöst." Es sei wichtig, Ärzten diesen "Verordnungsdruck" zu nehmen, betonte Dr. Martin Just, Vorsitzender des MRE-Netzes Mittelhessen.
Dass es sich bei der gängigen Verordnungspraxis nicht um fehlerhaftes Verhalten handele, betonte Dr. Wolfgang LangHeinrich, Vorstandsberater Pharmakotherapie der KV Hessen. Vielmehr sei eine Überverordnung von Antibiotika - Studien aus Großbritannien gaben bis zu 25 Prozent unnötiger Verordnungen bei Kindern mit Atemwegsinfektionen an - der Schwierigkeit der Diagnose geschuldet.
Fortbildung von Hausärzten wichtig
Ebenso stark wie auf die Aufklärung der Patienten setzt das Projekt daher auf die Fortbildung der Hausärzte. Sie verordnen 53 Prozent der ambulant verschriebenen Antibiotika. "40 Prozent der niedergelassenen Ärzte nehmen bereits an den Pharmakotherapiezirkeln teil", sagte LangHeinrich. Antibiotikaresistenzen seien regelmäßig Thema.
Tatsächlich scheint sich das Bewusstsein für eine verantwortungsvolle Verordnung zunehmend durchzusetzen: Während 2010 noch 2,92 Millionen Antibiotika-Verordnungen in Deutschland gemacht wurden, waren es 2014 nur noch 2,67 Millionen. Das Problem seien jedoch Breitband-Antibiotika: Ihr Einsatz habe sich in den vier Jahren fast verzehnfacht, kritisierte von Knoblauch zu Hatzbach.
Der Anteil der Reserveantibiotika - insbesondere Fluorchinolone und Oralcephalosporine - sei in jüngerer Zeit ebenfalls deutlich angestiegen, so Heudorf. "Untersuchungen haben gezeigt, dass gerade bei Atemwegsinfektionen auch zunehmend Reserveantibiotika verschrieben werden." Auch hier gelte es, Ärzte zur regelmäßigen Fortbildung zu motivieren, damit diese genau wüssten, wann welches Mittel zu verschreiben ist.