Nutzenbewertung
IQWiG-Ideen in der Kritik
Das Kölner Institut gibt der Arzneimittelregulierung schlechte Noten. Das Echo fällt skeptisch aus.
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Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen in Köln.
© Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen
KÖLN/BERLIN. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) ist mit seiner Forderung nach einem neuen Kurs bei der Bewertung neuer Arzneimittel auf Skepsis gestoßen.
Autoren des Kölner Instituts haben in einem im British Medical Journal (BMJ) erschienenen Aufsatz konstatiert, bei mehr als der Hälfte der seit 2011 neu zugelassenen Medikamente sei kein Zusatznutzen nachweisbar gewesen. Nur bei 25 Prozent der seitdem untersuchten Arzneimittel sei ein „beträchtlicher“ oder „erheblicher“ Zusatznutzen festgestellt worden. In einzelnen Indikationen wie Neurologie oder Diabetes sei die Quote der mit Zusatznutzen bewerteten Präparate noch geringer.
Der Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) nannte es „unbefriedigend“, dass in der offiziellen Nutzenbewertung in Deutschland „so viel unberücksichtigt bleibt“: Denn rund die Hälfte der eingereichten Studien würden abgelehnt. Die Bewertung „Zusatznutzen nicht belegt“ gehe in 80 Prozent der Fälle auf formale und nur in jedem fünften Fall auf inhaltliche Gründe zurück.
Die IQWiG-Autoren beklagen, aufgrund fehlender Studien könnten Ärzte und Patienten oft keine tatsächlich informierte Entscheidung über die zu wählende Therapie treffen. Der vfa erläutert dazu, anders als dargestellt gebe es bei der Zusatznutzenbewertung häufig nicht ein „richtig“ oder „falsch“.
Das könne man auch daran sehen, dass IQWiG und Bundesausschuss in rund der Hälfte der Fälle zu unterschiedlichen Ergebnissen kämen – der GBA komme im Ergebnis auf eine höhere Quote von Bewertungen mit Zusatznutzen.
"Ergebnisse" sind nicht neu
Auch Medikamente, die genauso gut seien wie die bisherige Vergleichstherapie könnten als Behandlungsalternativen in der Versorgung eine wichtige Rolle spielen, so der vfa.Dr. Dawid Pieper, Leiter der Abteilung evidenzbasierte Versorgungsforschung an der Uni Witten/Herdecke, bezeichnete die Ergebnisse des IQWiG als „nicht neu“.
Das gelte etwa für den Vorschlag, in Studien mehr Wirkstoffe gegen die beste verfügbare Standardtherapie und nicht gegen Placebo zu testen. „Die Forderung ist alt, der Umsetzungswille ist nicht stark ausgeprägt“, sagte Pieper dem „Science Media Center“ (SMC).
Harscher fällt die Reaktion von Professor Ulrich Gassner vom Institut für Bio-, Medizin- und Gesundheitsrecht an der Uni Augsburg aus. Denn die IQWiG-Autoren konstatieren in ihrem Papier ein „Politikversagen“ bei Entwicklung und Regulierung neuer Arzneimittel.
Das IQWiG sei eine Institution, die „selbst das Politikversagen repräsentiert“, meint Gassner. Denn das Institut arbeite dem „nicht ausreichend demokratisch legitimierten“ GBA zu – dort aber hätten Patientenvertreter kein Stimmrecht, sagte der Jurist dem SMC. (fst)