Britische Hausärzte in Aufregung
In Großbritannien verschwinden Millionen Hausarzt-Überweisungen
Ein Bericht, wonach viele Überweisungen von Hausärzten verloren gehen, sorgt in Großbritannien für Schlagzeilen. Eine Vermutung: Das Verschwinden ist kein Zufall, sondern könnte System haben.
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Viel Papier auf einem Stapel: Sind darunter die fehlenden Überweisungen von Hausärzten in Großbritannien?
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London. In Großbritannien kommt es nach einem für Schlagzeilen sorgenden neuen Report offenbar „millionenfach“ vor, dass Überweisungen vom Hausarzt zum Spezialisten oder in die Klinik verloren gehen. Das alarmiert die Ärzteschaft.
„Millionen Patientinnen und Patienten fallen, nachdem sie von ihrem Hausarzt zum Spezialisten oder in eine Klinik überwiesen wurden, in ein schwarzes Loch“, heißt es in dem Report der Organisation „Healthwatch England“. Die Organisation, die regelmäßig kritisch die Zustände im staatlichen britischen Gesundheitsdienst (National Health Service, NHS) unter die Lupe nimmt, analysierte landesweit rund 2.000 Patientenakten staatlicher Hausärztinnen und -ärzte.
Ergebnis: Jeder fünfte Patient wurde nach dem Besuch in der Hausarztpraxis nicht wie gewünscht zeitnah weiter fachärztlich versorgt. Rechnet man diese Zahlen auf das gesamte britische Gesundheitswesen hoch, so würde dies bedeuten, dass jährlich mindestens mehr als 2,5 Millionen hausärztliche Überweisungen schief laufen.
Ärzteverband: Patientenversorgung gefährdet
Großbritanniens NHS basiert auf dem Primärarztprinzip. Die erste Anlaufstelle für Patienten ist in der Regel der Hausarzt, der dann gegebenenfalls an einen fachärztlichen Kollegen oder aber ins Krankenhaus weiter überweist. „Wenn die Überweisungen nicht länger reibungslos klappen, dann ist die gesamte Patientenversorgung gefährdet“, sagte eine Sprecherin des größten britischen Ärzteverbandes (British Medical Association, BMA) in London.
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Interessant: Offenbar spielt auch die Pandemie beziehungsweise deren Spätfolgen in dieser Misere eine Rolle. So stellen die Autoren von „Healthwatch England“ fest, dass – verglichen mit der Zeit vor der Pandemie – die Zahl der von staatlichen Kliniken abgelehnten Überweisungsersuchen der Hausärzte um 43 Prozent gestiegen ist.
Lässt man Überweisungen einfach verschwinden?
Beobachter interpretieren dies so: Weil Kliniken hoffnungslos überlaufen sind und rund sieben Millionen Patienten auf eine Operation oder eine fachärztliche Konsultation warten, lassen Klinikverwaltungen viele hausärztliche Überweisungen entweder verschwinden oder lehnen diese aus oft fadenscheinigen Gründen ab.
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Das Londoner Gesundheitsministerium bestätigte auf Anfrage der Ärzte Zeitung, dass der Report zur Kenntnis genommen worden sei – man bemühe sich derzeit „um schnelle Lösungen“. (ast)