KV-Vertreter fürchten "Spaltpilz" im System

"Hobbypraxen" schlechter stellen, Versorgerpraxen belohnen: Diese Möglichkeiten hat Walter Plassmann von der KV Hamburg gefordert.

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"Wir Internisten sind mehr als nur ein starkes Bein der hausärztlichen Versorgung. Wir sind darin unverzichtbar." Dr. Wolfgang Wesiack, Präsident des Berufsverbands Deutscher Internisten

BERLIN (af). Die künstliche Spaltung der Ärzteschaft in Haus- und Fachärzte sollte aufgehoben werden. Dafür hat sich der stellvertretende Vorsitzende der KV Hamburg, Walter Plassmann, beim 4. Deutschen Internistentag in Berlin ausgesprochen.

Auch Spezialisten sollten den Patienten führen dürfen, sagte Plassmann. Dies erlaube das gegenwärtige System nicht, weil die Vergütungslogik eine andere sei.

Auch Nephrologen wählbar als Lotse durchs System

Betreuende Leistungsbestandteile erhielten die Hausärzte, Einzelleistungen ohne Betreuung die Fachärzte. Das hält der KV-Funktionär für unzureichend. "Warum sollte ein dialysepflichtiger Patient nicht seinen Nephrologen als Lotsen durch das System wählen dürfen?", fragte Plassmann.

Eine Alternative dazu sieht Plassmann in der im Versorgungsstrukturgesetz angelegten Rückkehr zur regionalen Honorarverteilung durch die Kassenärztlichen Vereinigungen. "Wenn wir die Trennung nicht aufheben dürfen, wollen wir wenigstens nach Versorgungsleistung differenzieren dürfen", sagte Plassmann.

Ein Spaltpilz der das KV-System sprengen könnte

Im gegenwärtigen von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gesteuerten System bekämen "Hobbypraxen" mit 200 Scheinen im Quartal relativ dasselbe wie Versorgerpraxen mit 1200 Scheinen.

Große Gefahren sieht Plassmann für das KV-System als Ganzes heraufziehen. Im System wuchere ein Spaltpilz, der das System komplett sprengen könnte.

"Dieses Reingreifen in die Taschen anderer KVen, weil bei den Kassen nichts mehr zu holen sei, darf nicht wahr sein", sagte Plassmann. Die Finanzierung der Versorgung müsse daher in die Regionen zurückübertragen werden, damit die KVen für das, was sie tun, wieder die Verantwortung übernehmen müssten, schlug Plassmann vor.

Finanzierung der Versorgung nach Fachgruppen

Zuvor hatte der Präsident des Berufsverbands Deutscher Internisten, Dr. Wolfgang Wesiack, gefordert, die Finanzierung des hausärztlichen Versorgungsbereiches künftig differenziert nach Fachgruppen vorzunehmen, die an der hausärztlichen Versorgung teilnehmen.

Damit solle der Tatsache Rechnung getragen werden, dass die demografische Entwicklung und die zunehmende Zahl multimorbider Patienten immer häufiger zu chronischen, vor allem internistischen Krankheiten führen. Mehr als 80 Prozent der chronischen Erkrankungen fielen schon heute in das Fach Innere Medizin, sagte Wesiack.

Die Zahl der hausärztlich tätigen Internisten sei im Zeitraum zwischen 2002 bis 2010 um insgesamt 13,5 Prozent gestiegen. Internisten hätten im Jahr 2010 bereits 21 Prozent aller Ärzte in der hausärztlichen Versorgung gestellt. Die Internisten seien mehr als nur ein starkes Bein der hausärztlichen Versorgung. Sie seien darin unverzichtbar, betonte Wesiack.

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Kommentare
Dr. Jürgen Schmidt 27.09.201114:02 Uhr

Plassmansche Logik

Der stellvertretende KV-Vorsitzende in Hamburg, Jurist und früher auch als Medizinjournalist tätig, möge sich in den Honorarverteilungsstatistiken seiner KV umsehen und den Anteil an Praxen mit geringen Scheinzahlen sichten.
Darunter finden sich viele mit sehr hohem Privatanteil, die eine exzellente Versorgung betreiben und natürlich auch Auslaufpraxen, die nicht geschlossen werden, weil eine sehr hohe Arzt-Patientbindung besteht und die Patienten in den großen "Versorgerpraxen" nicht die Aufmerksamkeit finden, die sie sich wünschen und die der jahrzehntelang betreuende alte Hausarzt bietet.
Soweit ein gutes Arbeitsverhältnis zur Ärztekammer besteht, sollte Herr Plassmann auch die dortigen Einkommensstatistiken (plus Privatanteil) einsehen und wird sehr aufschlussreiche Erkenntnisse gewinnen können.

Zu den Ergebnissen dieser Betrachtungen kann man sich manche Konsequenzen vorstellen. Hier mit dem scharfen Messer der Honorarverteilung zu Lasten der kleinen Praxen eingreifen zu wollen, ist jedoch abwegig und widerspricht auch honorarsystematischen und betriebswirtschaftlichen Überlegungen. Denn mit der Zahl der Patienten und Leistungen ergeben sich in den meisten Fällen Rationalisierungseffekte, die den Gewinn pro Fall (bis zu einer gewissen Grenze) steigern und große gegenüber kleinen Praxen zusätzlich bevorteilen.

Deshalb hat man auch schon mal Honorarverteilungsmaßstäbe entwickelt, die Honorar von großen zu kleinen Praxen umverteilten. Gescheitert ist diese Maßnahme am Bundessozialgericht. Das dürfte auch für die Plassmannschen Vorstellungen gelten, die in die umgekehrte Richtung gehen.

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