Weiterbildungsstreit
Kammer erteilt keine Ermächtigung mehr
Eine Einrichtung der Unimedizin Göttingen wird nicht mehr als Weiterbildungsstätte anerkannt - Grund: Die Allgemeinmedizin hat keine eigenen Patienten.
Veröffentlicht:GÖTTINGEN. Wer darf Ärzte weiterbilden, die eine Qualifikation als Facharzt anstreben? Um diese Frage dreht sich derzeit ein Rechtsstreit zwischen der Ärztekammer Niedersachsen und der Leiterin des Instituts für Allgemeinmedizin der Universitätsmedizin Göttingen.
Das Institut ist seit seinem Bestehen in die Weiterbildung angehender Fachärzte eingebunden. Die Ärztekammer hatte dies jahrzehntelang nie beanstandet und den jeweiligen Institutsleitern stets die entsprechende Weiterbildungsermächtigung erteilt.
Bisherige Praxis rechtswidrig?
Als die aktuelle Direktorin Professor Eva Hummers-Pradier nach ihrem Amtsantritt in Göttingen ebenfalls eine Ermächtigung zur Weiterbildung beantragte, bekam sie jedoch plötzlich einen ablehnenden Bescheid.
Grund: Die Ärztekammer will die Allgemeinmedizin nicht mehr als Weiterbildungsstätte anerkennen, weil die Einrichtung keine eigenen Patienten hat.
Dies war allerdings auch in der Vergangenheit schon so gewesen. Als Begründung für ihren Sinneswandel führt die Ärztekammer an, dass ihre bisherige Praxis rechtswidrig gewesen sei und sie die Ermächtigungen eigentlich gar nicht hätte erteilen dürfen.
Einrichtungen an Hochschulen könnten nur dann als Weiterbildungsstätten fungieren, wenn dort auch Patienten versorgt würden. Dies sei in der Abteilung Allgemeinmedizin nicht der Fall, dort könne ausschließlich eine theoretische Weiterbildung stattfinden.
Für die notwendige Patientenversorgung reiche es indes nicht aus, im Rahmen von Vorlesungen und Seminaren Patienten vorzustellen, die in angegliederten Lehrpraxen behandelt würden.
Die Leiterin des Instituts, die zuvor jahrelang als Direktorin der Allgemeinmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) im Besitz einer Weiterbildungsermächtigung gewesen war und zusätzlich auch angestellte Fachärztin in einer hausärztlichen Praxis ist, wollte die Ablehnung nicht hinnehmen und zog vor Gericht.
Zur Begründung führte sie an, dass ihre Abteilung durch Forschung und Lehre mit etwa 150 hausärztlichen Praxen der Umgebung kooperiere. Es bestehe ein ständiger Kontakt zu den Praxen und deren Patienten.
Die Weiterbildungsassistenten würden zudem im Rahmen von Studien ärztliche Anamnesen, Beratungen, Untersuchungen, Aufklärungen und die Dokumentation von Befunden vornehmen. Außerdem würden Behandlungspläne beispielsweise mit Pflegeteams und Pflegeheimen erstellt.
Kein letztinstanzliches Urteil
Das Verwaltungsgericht Göttingen wies ihre Klage allerdings ab (Aktenzeichen 1 A 57/13). Die Richter verwiesen darauf, dass die Professorin zwar unstreitig die notwendige fachliche und persönliche Eignung besitze.
Nach dem niedersächsischen Kammergesetz für die Heilberufe müssten Weiterbildungsstätten jedoch bestimmte Anforderungen erfüllen. Hierzu gehöre unter anderem ein ausreichender Patientenstamm. Diese Voraussetzung erfülle die Allgemeinmedizin nicht, da in der Abteilung keine Patienten aufgenommen oder Tag und Nacht durchgängig ärztlich betreut werden.
Auch im ambulanten Bereich sei eine qualifizierte ärztliche Weiterbildung nicht gewährleistet. Die Klägerin habe nicht ausreichend konkretisiert, in welchem Umfang und in welcher Weise ihre Weiterbildungsassistenten in den Hausarztpraxen eingesetzt werden könnten.
Das letzte Wort in dieser Sache ist allerdings noch nicht gesprochen. Die Klägerin hat inzwischen Berufung gegen die Entscheidung eingelegt.
Das erstinstanzliche Göttinger Gericht hatte dieses Rechtsmittel ausdrücklich zugelassen. Somit wird sich demnächst das Oberverwaltungsgericht Lüneburg mit dem Fall beschäftigen.