Karlsruhe beschränkt Zwangsbehandlung von Straftätern

Einsichtsfähige Straftäter dürfen Psychopharmaka verweigern. Ärzte können eine Behandlung nicht erzwingen.

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Die Richter des Bundesverfassungsgerichts gaben der Verfassungsbeschwerde eines 59 Jahre alten Häftlings statt.

Die Richter des Bundesverfassungsgerichts gaben der Verfassungsbeschwerde eines 59 Jahre alten Häftlings statt.

© dpa

KARLSRUHE (mwo). In die Psychiatrie eingewiesene Straftäter können dort die Einnahme von Psychopharmaka ablehnen. Ärzte und Gerichte müssen dies akzeptieren, wenn ein ungefährlicher Patient sich bewusst gegen die Behandlung entscheidet, heißt es in einem am Freitag veröffentlichten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe.

Der Beschwerdeführer hatte mit einer vollen Weinflasche seiner schlafenden Ehefrau ins Gesicht geschlagen und danach versucht, sie zu ersticken. Auch auf seine Tochter schlug er mit einer Weinflasche ein.

Laut Gutachtern lag dem eine "wahnhafte Störung" zugrunde. Das Landgericht wies den Mann daher in eine psychiatrische Klinik ein. Dort nahm er zwei Wochen lang ein atypisches Neuroleptikum ein, lehnte dann aber wegen der Nebenwirkungen die weitere Behandlung ab. Die Klinik kündigte nun eine Zwangsbehandlung mit Spritzen an.

Die dagegen gerichtete Klage wiesen die Zivilgerichte ab. Seine Verfassungsbeschwerde hatte nun aber Erfolg.

Zwangsbehandlungen in der Psychiatrie sind weitgehend unstreitig, wenn Patienten unbehandelt eine Gefahr für sich oder andere sind. In Rheinland-Pfalz erlaubt das Maßregelvollzugsgesetz eine Zwangsbehandlung aber auch "zur Erreichung des Vollzugsziels", sprich, um die ehemaligen Straftäter als ungefährlich entlassen zu können.

Dies verwarfen die Karlsruher Richter als verfassungswidrig. Zur Begründung betonte das Bundesverfassungsgericht, medizinische Zwangsbehandlungen seien ein schwerwiegender Eingriff in die körperliche Unversehrtheit. Zumindest in Rheinland-Pfalz reiche dafür die gesetzliche Grundlage nicht aus.

Allerdings könne eine Zwangsbehandlung "ausnahmsweise" auch zulässig sein, um einen Straftäter "entlassungsfähig zu machen". Dies setze aber voraus, dass er wegen seiner Krankheit die Ziele und Folgen der Behandlung nicht überblicken kann. Unabhängige Gutachter müssten bestätigen. Die Länder sollen hierfür gesetzliche Grundlagen schaffen.

Entscheiden sich einsichtsfähige Straftäter gegen Psychopharmaka, so scheidet nach dem Beschluss eine Zwangsbehandlung aus. Dies gelte selbst dann, wenn diese Entscheidung "von durchschnittlichen Präferenzen abweicht" und "unvernünftig erscheint", weil Ärzte ohne Medikamente eine Entlassung dauerhaft ausschließen.

Az.: 2 BvR 882/09

Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts vom 15. April 2011

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