Vor dem Start der Kampagne
Kinderimpfungen: STIKO-Chef Mertens räumt Fehler ein
STIKO-Chef Thomas Mertens sieht seine Aussage gegen das Impfen von Kindern als Fehler an. Das geht aus Äußerungen von Freitag hervor. Die Impfkampagne für Kinder wird derweil intensiv vorbereitet.
Veröffentlicht:Berlin. Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission Thomas Mertens hat eingeräumt, mit seiner persönlichen Aussage zur Ablehnung einer Kinderimpfung gegen Corona einen Fehler gemacht zu haben. Mertens hatte in einem Podcast der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ Anfang Dezember erklärt, wenn er ein sieben- oder achtjähriges Kind hätte, würde er es „wahrscheinlich jetzt nicht impfen lassen“.
Dem Nachrichtensender Welt sagte Mertens am Freitag: „Die Entscheidung über die Impfung ist wirklich eine sehr persönliche Sache, und das reflektiert sich ja auch in unserer derzeitigen Impfempfehlung. Es war damals wahrscheinlich der einzige Fehler, den ich gemacht habe, dass ich überhaupt etwas Persönliches gesagt habe.“ Die STIKO hatte am Donnerstag eine Impfung von Kindern von fünf bis elf Jahren empfohlen, die Risikofaktoren für einen schweren COVID-19 Verlauf oder Angehörige mit hohem Risiko haben. Außerdem können Eltern nach einer Aufklärung auch ihre gesunden Kinder impfen lassen.
Aussage „aus dem Zusammenhang genommen“
Das berühmte Zitat sei nach einer letzten Zusatzfrage in einem langen Interview gefallen, sagte Mertens. Er habe am Ende dieses Interviews dann gesagt, dass er derzeit ohne das Vorhandensein eines für Kinder konfektionierten Impfstoffes und ohne abschließende Bewertung durch die STIKO das Kind nicht impfen lassen würde.
Das sei ja auch eine völlig richtige und völlig verständliche Aussage. „Die ist dann völlig aus dem Zusammenhang genommen, sehr intensiv berichtet worden – dagegen kann ich letztlich nichts machen – aber es ist natürlich grober Unfug, wenn man mich als Impfgegner bezeichnen wollte“, sagte Mertens dem Nachrichtensender Welt.
Es gebe wissenschaftlich fundierte Gründe, warum die STIKO keine allgemeine Impfempfehlung für Kinder von fünf bis elf Jahren herausgegeben habe, sondern nur für vorerkrankte Kinder. Es gebe nicht genug Daten über die Sicherheit der Impfstoffe für Kinder, so Mertens. Auch der Blick in die USA helfe da nicht weiter. Dort seien zwar viele Kinder geimpft worden, nötig seien aber Daten darüber, was aus diesen Kindern geworden ist. Diese lägen derzeit nicht vor.
Familienministerin fordert kindgerechte Impfangebote
Bundesfamilienministerin Anne Spiegel hat dazu aufgerufen, großflächig Impfungen gegen Corona für fünf- bis elfjährige Kinder anzubieten. Überall im Land seien kindgerechte Impfangebote erforderlich, „in Kinderarztpraxen, Impfzentren und mit mobilen Impfteams“, sagte die Grünen-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Spiegel nannte den Start der Corona-Impfungen für Kinder an diesem Montag ein gutes Signal. Für viele Kinder im Alter von fünf bis elf Jahren und ihre Familien sei das eine große Erleichterung. „Es ist ganz wichtig, dass sich Familien gut informieren und beraten lassen können und dann hoffentlich zu dem Schluss kommen, ihre Kinder impfen zu lassen.“
Hamburg richtet Kinderimpfzentrum ein
In Hamburg können Eltern ihre Kinder zwischen fünf und elf Jahren von Donnerstag an auch in einem eigens eingerichteten Kinderimpfzentrum gegen Corona impfen lassen. Neben den sechs Hamburger Kinderkliniken, in denen es ebenfalls Impfmöglichkeiten gebe, solle das städtische Kinderimpfzentrum in der Neustadt vor allem denjenigen offenstehen, die eine Impfung nicht über den Kinderarzt erhalten könnten, teilte Gesundheitssenatorin Melanie Leonhard (SPD) am Freitag mit.
„Ob die Impfung für das eigene Kind in Frage kommt, ist eine individuelle Entscheidung, die Eltern und Sorgeberechtigte am besten mit Kinderärztinnen und Kinderärzten abwägen können“, sagte sie. „Diese sind die erste Anlaufstelle für eine intensive Beratung und für die Impfung selbst.“
Viele Kinderärzte in Hamburg wollen nicht impfen
In Hamburg wird die erste Lieferung des Kinderimpfstoffs von BioNTech/Pfizer laut Behörde am Mittwoch erwartet. Die Kinder sollen zwei Impfungen erhalten, die im Abstand von drei bis sechs Wochen verabreicht werden.
Eine Terminvereinbarung sei zwingend notwendig. Über Einzelheiten des Terminbuchungstools will die Behörde noch rechtzeitig informieren. Die Terminvergabe stehe allen Eltern offen, priorisiert würden aber Eltern von Kindern mit Vorerkrankungen, hieß es.
In Hamburg haben sich nach einer Umfrage der Gesundheitsbehörde nur ein knappes Viertel der niedergelassenen Kinderärzte bereiterklärt, Impfungen durchzuführen. Allerdings erfolgte die Umfrage vor der STIKO-Empfehlung am Donnerstag. (dpa)