Frankreich

Mehrere Reformpläne im Gesundheitsgesetz gebündelt

Schluss mit der Kostenerstattung? Das ist nur eine von vielen Veränderungen, die die heftig umstrittene Gesundheitsreform in Frankreich vorsieht.

Denis Durand de BousingenVon Denis Durand de Bousingen Veröffentlicht:
Rund um den Eifelturm tut sich was: Reformbaustellen finden sich in Frankreich en masse.

Rund um den Eifelturm tut sich was: Reformbaustellen finden sich in Frankreich en masse.

© Toni Anett Kuchinke / panthermedia.net

PARIS. Seit Ende März debattiert das französische Parlament über das sogenannte "Loi de santé" (Gesundheitsgesetz), eine Reform, die nach den Worten der sozialistischen Sozial- und Gesundheitsministerin Marisol Touraine "den Alltag der Patienten und der Menschen in Gesundheitsberufen verbessern soll".

Die spektakulärste Maßnahme des Gesetzes ist das geplante Ende der in Frankreich traditionellen Kostenerstattung durch das Sachleistungsprinzip. Dieser Reformschritt wird von Ärzten harsch abgelehnt.

Ihre Streiks und Protestaktionen überschatten allerdings viele andere Inhalte der Reform, die mit mehr als 50 weiteren Maßnahmen das gesamte Gesundheitswesen spürbar modernisieren soll.

Laufstege im Visier

So sieht das Gesetz vor, den Jugend- und Gesundheitsschutz deutlich zu verstärken, insbesondere sind Maßnahmen gegen das Rauchen und exzessiven Alkoholkonsum geplant.

Erwachsene, die künftig im Auto in Anwesenheit eines Minderjährigen rauchen, müssen mit Bußgeldern rechnen. Darüber hinaus will die Regierung Fixerstuben in Großstädten eröffnen.

In der Öffentlichkeit auf großes Interesse sind Bestimmungen im Kampf gegen Magersucht gestoßen. Die Nationalversammlung will untergewichtige Models von den Laufstegen verbannen.

Wird diese Regelung Gesetz, dürften auf französischen Modeschauen oder bei Foto-Shootings künftig keine Models mehr arbeiten, die einen bestimmten Body-Mass-Index unterschreiten. Ministerin Touraine nannte die Präsentation extrem schlanker Mannequins ein "beunruhigendes Thema".

Das Vorhaben ist allerdings alles andere als unumstritten. Bürgerlich-konservative Parlamentarier stimmten gegen den Vorschlag und warnten unter anderem davor, dieses Berufsverbot komme einer Diskriminierung von Menschen gleich, die von Natur aus sehr dünn sind.

Auch bei Agenturen stößt der Plan auf Widerstand. Es sei falsch, Magersucht und Schlankheit von Models zu vermischen, hieß es bei Synam, einem Zusammenschluss mehrerer Model-Agenturen.

Damit werde Magersucht als seelisch bedingte Krankheit verkannt, sagte Synam-Chefin Isabelle Saint-Félix der französischen Nachrichtenagentur AFP.

Einheitliche Servicenummer

Obwohl das Gesetz die Niederlassungsfreiheit nicht in Frage stellt, sollen Gesundheitsbehörden die flächendeckende Versorgung in Gebieten sichern, die an Ärztemängel leiden. In diesen Regionen werden Ärzte und andere Gesundheitsberufler finanziell unterstützt, um dort zu bleiben oder sich neu niederzulassen.

Mit einer national einheitlichen Rufnummer sollen alle Patienten, die außerhalb der normalen Öffnungszeiten einen Arzt brauchen, über alle verfügbaren ambulanten Notdienste informiert werden.

Gleichzeitig sollen Patienten mehr Transparenz über die Ziele und Strukturen des Gesundheitswesens und der Gesundheitspolitik bekommen. Auch ihre Rechte gegenüber Gesundheitseinrichtungen sollen verstärkt werden, insbesondere mit der Möglichkeit, kollektive Klagen gegen Leistungsanbieter vor Gericht zu bringen.

Das Gesetz soll darüber hinaus die Kooperation und die Vernetzung zwischen allen Gesundheitsberufen verstärken. Patienten-und Gesundheitsdaten sollen anonym für Forschungs- und gesundheitspolitische Zwecke genutzt werden. Und schließlich soll die individuelle elektronische Patientenkarte endlich flächendeckend verbreitet werden.

Mit viel Theaterdonner war von der Sécurité Sociale vor elf Jahren das sogenannte "Dossier Médical Partagé (DMP)" eingeführt worden, eine E-Card mit Patientendaten, Untersuchungsergebnissen und Behandlungsberichten.

Ziel war schon damals eine bessere Koordination der Patientenversorgung, zugleich sollten erhebliche Spareffekte erzielt werden.

Die Krankenkassen haben zwar inzwischen mehr als 500 Millionen Euro investiert und sogar eine Sonderagentur gegründet, um das ehrgeizige Projekt in die Gänge zu bringen. Bisher wird die Karte aber von Patienten und Ärzten kaum genutzt.

Wegen technischer Mängel, Datenschutzproblemen und einem komplizierten Zugang kam es immer wieder zu Rückschlägen. Viele Ärzte halten die E-Card ohnehin für viel zu kompliziert.

Jetzt soll die Reform technische Lösungen ermöglichen, damit die Karte endlich landesweit funktionieren kann. (mit dpa)

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