Spielkonsolen halten Senioren fit
Motorradfahren im Pflegeheim
In rund 100 Pflegeheimen werden Spielkonsolen für alte Menschen getestet. Im virtuellen Raum sollen die Heimbewohner ihre kognitiven und motorischen Fähigkeiten trainieren – und einfach Spaß am Spielen haben.
Veröffentlicht:DÜSSELDORF. Herr Spiller fährt heute mit dem Motorrad nach Bonn. Er hält nicht immer ganz sicher die Spur, Gott sei Dank gibt es gerade keinen Gegenverkehr. Die Abzweigung nach Bonn hätte er fast verpasst, im letzten Moment reißt er noch den Lenker herum. Geschafft.
Applaus brandet auf. Herbert Spiller lächelt. Es war erst seine zweite Fahrt mit der virtuellen Maschine. Kürzlich hat die Spielekonsole der besonderen Art Einzug gehalten in das Stammhaus Kaiserswerth, ein Pflegeheim der Diakonie. Dem 100-Jährigen gefällt die sogenannte Memorebox. „Wunderbar, da war richtig Power hinter. Wenn man nicht mehr auf die Straße kann, macht das Spaß und Freude.“
Die Memorebox ist eine Konsole, die Senioren zum Spielen bringen und so motorische und kognitive Fähigkeiten fördern soll. Die Barmer Ersatzkasse bringt sie als Teil eines Projektes in 100 Pflegeeinrichtungen in ganz Deutschland.
Die Humboldt-Universität, die Charité und die Alice Salomon Hochschule, allesamt aus Berlin, werden dann evaluieren, welche Auswirkungen das regelmäßige Spielen auf die 1000 Teilnehmer hat.
„Es bringt einfach Lebensfreude“
Darauf lassen die Ergebnisse einer Pilotphase in zwei Häusern in Berlin und Hamburg schließen. „Es bringt aber auch einfach Lebensfreude und entlastet die Pflegekräfte“, sagt Beckmann.
Ein Erfolg wäre etwa, wenn sich ein Bewohner dank regelmäßigem Spielen wieder selbst die Jacke anziehen kann, sagte Klaus Patzelt, Abteilungsleiter im Stammhaus Kaiserswerth. Das Projekt zeige, welche Möglichkeiten die Digitalisierung in der Pflege biete. „Wir haben die Hoffnung, dass vergessene oder verlorene Fähigkeiten zurückkommen.“
Im Gegensatz zu den bei Jüngeren beliebten Konsolen kommt die Memorebox ohne Controller aus. Gesteuert wird über Bewegungen der Arme. Sie lenken das Motorrad, rollen die Kugel Richtung Kegel oder werden im Takt der Tanzmusik geschwenkt.
„Die Spiele passen sich dem Spieler an, sie erkennen, wie gut jemand ist“, sagt Stev Klapschuweit, Vertriebschef bei der Firma RetroBrain, die die Konsole im Laufe von vier Jahrenentwickelt hat. So werde Frustration, aber auch Unterforderung vermieden. Die Grafik ist reduziert, das Erscheinungsbild soll an die Jugendzeit der älteren Nutzer erinnern.
Konsolen für Pflegeheim oder Reha
Aus ursprünglich drei Spielen sind mittlerweile sechs geworden. Singen, Tanzen und Tischtennis als neue Angebote sollten nicht zuletzt verstärkt Frauen ansprechen, erklärt Klapschuweit. Die Konsole befinde sich bereits in einer späten Phase der Entwicklung.
Es sei möglich, dass am Ende verschiedene Modelle für unterschiedliche Einsatzzwecke stehen – etwa Pflegeheime, Rehaeinrichtungen oder Parkinsonkliniken. Idealerweise könne eine solche Box am Ende auch von privaten Nutzern gekauft und an den heimischen Fernseher angeschlossen werden, sagt er. Dazu brauche man aber noch einige Jahre Zeit und große Kooperationspartner.