Klinikhygiene

NRW will Patienten fragen

Patientenfragebögen sollen Krankenhäusern in Nordrhein-Westfalen Hinweise geben, wo bei der Hygiene nachgebessert werden sollte. Als weiteren Schritt fordern Experten, das Thema stärker im Medizinstudium zu verankern.

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Desinfektion der Hände - wie Hygienemaßnahmen in Kliniken umgesetzt werden, sollen in Zukunft auch Patientenfragebögen zeigen.

Desinfektion der Hände - wie Hygienemaßnahmen in Kliniken umgesetzt werden, sollen in Zukunft auch Patientenfragebögen zeigen.

© Peter Atkins / fotolia.com

DÜSSELDORF. Mit einem neu entwickelten Patientenfragebogen können sich Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen künftig ein Bild darüber verschaffen, ob Hygienemaßnahmen greifen und wo es Verbesserungsbedarf gibt.

"Es geht hier nicht um zusätzliche Kontrolle, sondern um eine Stärkung des Hygienebewusstseins im Krankenhaus durch eine aktive Einbeziehung der Patienten", sagte Landesgesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) am Donnerstag in Düsseldorf.

Das Ministerium hat den Fragebogen gemeinsam mit dem Landeszentrum Gesundheit NRW unter Einbeziehung der Landeskrankenhausgesellschaft entwickelt. Er steht allen Krankenhäusern zur Verfügung.

Die Kliniken sollen die Bögen selbst auswerten und die notwendigen Schlüsse ziehen. Einen verpflichtenden Einsatz und eine zentrale Auswertung hält Steffens nicht für sinnvoll. "Es ist eine Hilfe, keine Pflicht."

Im Februar dieses Jahres hatten Medienberichte für Aufregung gesorgt, nach denen Kliniken in NRW regelmäßig gegen fundamentale Hygieneregeln verstoßen würden. Auch der Landesregierung wurden Versäumnisse vorgeworfen.

Eine daraufhin einberufene Expertenrunde sei zu dem Ergebnis gekommen, dass NRW in puncto Hygiene nicht schlecht dastehe und keine gesetzlichen Maßnahmen notwendig seien, berichtete Steffens. "Wir brauchen nicht mehr oder andere Gesetze, sondern wir müssen sehen, dass das vorhandene Wissen in der Praxis auch Anwendung findet."

Experten: Hygiene-Institute nicht schließen

Beim Umgang mit Antibiotikaresistenzen stoße die moderne Medizin an ihre Grenzen, betonte Professor Martin Exner, Direktor des Instituts für Hygiene und Öffentliche Gesundheit der Universität Bonn.

"Wir wollen davor nicht kapitulieren, sondern die Strukturen weiter nach vorne bringen." Dazu gehöre auch eine bessere Verankerung des Themas schon im Medizinstudium. "Es darf nicht zu einer weiteren Schließung von Hygiene-Instituten kommen", forderte Exner.

Infektionen seien zur bestimmenden Komplikation geworden, sagte Professor Georg Peters, Direktor des Instituts für medizinische Mikrobiologie der Universität Münster. "Wir müssen mit Antibiotika behandeln, aber wir müssen es vernünftig tun." Entscheidend sei, dass Antibiotika nur dann eingesetzt werden, wenn es wirklich indiziert ist.

Ein Screening sämtlicher Klinikpatienten auf Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) halten Hygieneexperten für nicht notwendig. Indiziert sei eine solche Maßnahme bei rund 30 Prozent, sagte Professor Martin Mielke, Leiter der Abteilung Infektionskrankheiten am Robert Koch Institut.

"Wir begrüßen ausdrücklich eine Risikoeinstufung, ein risikobasiertes Screening und eine Vergütung der Diagnostik", sagte Mielke. Was nicht vergütet werde, werde auch nicht umgesetzt. (iss)

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 11.05.201423:49 Uhr

Fördert dieser NRW-Klinik-Fragebogen Denunziantentum?

Bei aller Liebe, da hat NRW-Landesgesundheitsministerin Barbara Steffens von den Grünen/Bündnis 90 am Donnerstag in Düsseldorf aber einen kapitalen Bock geschossen. "Blockwart"-Mentalität und Denunziantentum ausgerechnet von einer Grünen-Ministerin präsentiert zu bekommen, lässt mir alle (wenigen) Haupt-Haare zu Berge stehen.

Zunächst werden 4 Fragen scheinbar zur persönlichen Hygiene der Patienten selbst, aber eigentlich ausschließlich zum Thema ihrer e i g e n e n Händedesinfektion (Infos, Anleitung, Durchführung, Frequenz) gestellt. Aber n i c h t zum Thema tägliches Duschen zu Hause, (Unter)Wäschewechsel, Fuß- und Zehennagelpflege, Wohnungs-, Ernährungs-, Umwelthygiene, Schuhwechsel bzw. nach beruflich/privater Keimexposition, z. B. (Abwasser)Entsorgung, Landwirtschaft, Tierzucht, Haustiere usw. gefragt.

Ab Frage 5 bis 10 geht’s beim „Personal“ zur Sache (wörtliche Zitate):
„5 Hat das Personal Ringe und/oder Uhren/Armbänder getragen?
6 Gab es Personal mit langen und/oder künstlichen Fingernägeln und/oder Nagellack?
7 Haben Sie gesehen, dass sich das Personal vor einer Tätigkeit an Ihnen die Hände desinfiziert hat (z.B. Handschlag, Verbandswechsel, Gabe von Spritzen)?
8 Haben Sie gesehen, dass sich das Personal nach einer Tätigkeit an Ihnen die Hände desinfiziert hat?
9 Haben Sie gesehen, dass Ärzte/Ärztinnen das Stethoskop vor der Benutzung desinfiziert haben?
10 Wurden Sie im Falle einer Isolierung, darüber aufgeklärt?“

Unterschlagen wird in diesem Fragebogen, dass in Stationsbereichen das Tragen von Uhren zur Pulsmessung und Dokumentation zeitlicher Ereignisabfolgen zwingend, bzw. hygienische Bedenken beim Tragen von glatten (Ehe)Ringen aus Gold, Silber oder Kupfer ohne jeden Beleg sind. In einem finnischen Klinik-Neubau sind sogar die Türgriffe extra aus Kupfer gefertigt.

Ebenso ist das Tragen von Fingernagel-"extensions" und -lack in vielen Klinik-Bereichen unbedenklich. Bei Personal u n d Patienten müssen diese auch nicht gewaltsam entfernt werden.

Zu Frage 7-9 ist das Krankenhauspersonal grundsätzlich n i c h t verpflichtet, dem Patienten alle professionellen Verrichtungen, die medizinisch notwendig sind, auch noch in aller Öffentlichkeit zu zeigen. Dann wären ja Eingriffe am Rücken des Patienten (z. B. Lumbalpunktion, PDK) i m m e r problematisch. Oder müsste das Personal von kontrollwütigen Patienten etwa auch noch auf die Personaltoiletten begleitet und dort "gesehen" werden?

Ganz ernsthaft: Haben hier vielleicht alle an diesem Fragebogen Beteiligten den Verstand verloren? Denn die zahllosen infektiologisch kritischen Krankenhaus-Besucher wurden beispielsweise gar nicht berücksichtigt.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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