Besuch vom Minister

Nahaufnahme für Spahn – Was Pflegepolitik der Groko bewirkt

Die große Koalition hat Pflegereformen am laufenden Meter produziert. Was bewirken sie? Gesundheitsminister Jens Spahn fuhr in die Paracelus-Klinik nach Zwickau, um es zu erfahren.

Sven EichstädtVon Sven Eichstädt Veröffentlicht:
Sachsens Gesundheitsministerin Barbara Klepsch und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im Gespräch mit Schwester Sarah Bergert, die an der Paracelsus-Klinik in Zwickau arbeitet.

Sachsens Gesundheitsministerin Barbara Klepsch und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im Gespräch mit Schwester Sarah Bergert, die an der Paracelsus-Klinik in Zwickau arbeitet.

© (c) Sven Eichstädt (c) Sven Eic

ZWICKAU. „Ganz schön warm hier“, findet es Jens Spahn. Der Bundesgesundheitsminister ist bei hochsommerlichen Temperaturen zusammen mit Sachsens Gesundheitsministerin Barbara Klepsch (beide CDU) in die Paracelsus-Klinik nach Zwickau gekommen, um sich Fragen von Pflegern und Ärzten zu stellen.

Eine Krankenschwester des Zwickauer Klinikums berichtete dem Minister, dass Pfleger von ihrer Station abgezogen werden müssten, damit die Untergrenzen auf den Stationen, bei denen sie schon gälten, eingehalten werden könnten. Spahn entgegnet, dass er für die Untergrenzen Kritik von mehreren Seiten erhalte: Dass sie entweder viel zu lasch seien oder aber, dass sie nur schwer eingehalten werden könnten.

„Irgendwo mussten wir anfangen mit den Untergrenzen“, fügt er an. „Wenn wir gleich eine 1:1-Betreuung verlangt hätten, dann hätten wir die Folge, dass flächendeckend Intensivstationen geschlossen werden müssten, weil sie die Vorgaben nicht schaffen würden.“

Bettenabbau – in Sachsen nicht

Allerdings müssten Kliniken Betten abbauen, wenn sie dauerhaft zu wenig Personal hätten, betont Spahn. „Ich komme aus Nordrhein-Westfalen, einem Bundesland, in dem man gut Betten abbauen kann“, meint er. „Für Sachsen gilt das aber nicht.“

Allerdings hätte in Sachsen unlängst aus ganz anderen Gründen ein Bettenabbau gedroht: Die Paracelsus-Kliniken hatten Ende 2017 eine Insolvenz in Eigenregie eingeleitet, was vor allem bei dem Standort der Gruppe in Reichenbach zu sehr unsicheren Zukunftsaussichten führte.

Im Februar 2018 kündigte Paracelsus an, in Reichenbach 30 Mitarbeiter zu entlassen. Im Frühjahr 2018 folgte dann die Übernahme von Paracelsus durch die Beteiligungsgesellschaft Porterhouse Group aus Luzern um den Milliardär Felix Happel.

Aus der Klinik in Reichenbach ist Pflegedirektor Matthias Mielke nach Zwickau gefahren, um Spahn zu fragen, wie die Politik die Kliniken mit Integrationsleistungen bei ausländischen Mitarbeitern unterstützen könne. Er berichtet, dass viele Mitarbeiter sagten, sie könnten neuen ausländischen Kollegen in ihrer Freizeit nicht auch noch die Stadt zeigen und mit ihnen in die Kneipe oder ins Kino gehen.

Zuvor hatte Martin Siebert, der ab August Vorsitzender der Geschäftsführung der Paracelsus-Kliniken sein wird, betont, dass die Klinikgruppe Personallücken in der Pflege durch ausländische Arbeitskräfte schließen wolle.

Spahn erwidert, er könne „auch nicht mit ihnen ins Kino gehen“. Er spricht davon, dass es wichtig sei, beim Lernen der deutschen Sprache zu helfen und dass es auch darum gehen müsse, mehr Menschen für Pflegeberufe umzuschulen und zu versuchen, dass weniger Mitarbeiter in Teilzeit arbeiteten.

„Auf ausländischen Fachkräften kann nicht der einzige Fokus liegen“, sagt Spahn, „eine Klinik mit 90 Prozent ausländischen Pflegern wäre auch ungünstig“. Er schätzt, „ganz Westeuropa“ sei auf der Suche nach ausländischen Pflegern und Länder wie Bulgarien und Rumänien seien „Deutschland und Frankreich nicht böse, wenn sie nicht noch mehr Pfleger aus ihren Ländern“ nähmen. Deshalb suche er Kooperationen mit Staaten wie Brasilien, dem Kosovo oder den Philippinen, die über den eigenen Bedarf hinaus ausbildeten.

Arbeitszeiten? Nicht Sache der Politik

Betriebsratschef Torsten Schnapp möchte vom Minister wissen, was er zu tun gedenke, um die Unterschiede in den Arbeitszeiten „zwischen West und Ost “ zu beseitigen. Spahn erwidert, das sei nicht Aufgabe der Politik, sondern der Tarifparteien, also auch des Betriebsratschefs, dies auszuhandeln. Er empfiehlt den Pflegern, sich an den Ärzten ein Beispiel zu nehmen, die mit einer „starken Organisation“ gezeigt hätten, dass sie „ganze Kliniken stilllegen“ könnten.

„Wenn es aber in der Pflege gegen jede Form der Organisation Widerstand gibt, wird es schwierig“, vermutet Spahn. „Sie müssen sich in der Pflege selbst organisieren, um etwas zu erreichen.“ Bislang gibt es Pflegekammern nur in einzelnen Bundesländern, eine Pflegekammerkonferenz für die Bundesebene wurde jetzt aber gegründet.

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