US-Gesundheitsreform
Obamacare wirkt besser als gedacht
Es vergeht kein Tag, an dem US-Medien nicht über Obamacare berichten. Die heftig umstrittene Gesundheitsreform funktioniert viel besser als erwartet. Experten sind sicher: Ein künftiger republikanischer Präsident würde sich an Obamacare die Zähne ausbeißen.
Veröffentlicht:WASHINGTON D.C. Es war ein guter Sommer für Barack Obama, ein sehr guter Sommer sogar. Im Juni überlebte seine Gesundheitsreform die letzte große Klage vor dem Obersten Gerichtshof.
Innen- und außenpolitisch punktete er durch seinen Klimaplan und das Iranabkommen. Die Arbeitslosenrate sinkt weiter und Gallup-Umfragen bestätigen inzwischen, dass "Obamacare" besser funktioniert, als selbst die Regierung erhofft hatte.
Ermutigend ist insbesondere, wie stark die Zahl der Menschen ohne Krankenversicherung zurückgegangen ist. Hatten im Jahr 2013 noch fast 45 Millionen keine Absicherung, waren es im ersten Quartal dieses Jahres nur noch 29 Millionen. Die Nicht-Versicherten-Rate sank damit von 14,4 auf 9,2 Prozent.
Die meisten neuen Versicherten hat es durch die Einrichtung der digitalen Versicherungsbörsen gegeben sowie durch die Erweiterung des Versicherungsprogramms für die Armen, Medicaid. Bei Medicaid gibt es allerdings große Diskrepanzen zwischen den Bundesstaaten.
Dort, wo sich die Gouverneure aus ideologischen Gründen weigern, Medicaid auszubauen, liegt die Nicht-Versichertenrate nach wie vor weit über dem nationalen Durchschnitt. Am schlimmsten ist es in Texas, wo immer noch über 20 Prozent der Einwohner keine Krankenversicherung haben.
Erfolge in vielen Staaten
Andere Bundesstaaten hingegen haben zum Beispiel durch die Erweiterung von Medicaid erreicht, dass ihre Nicht-Versichertenrate auf oder sogar unter fünf Prozent gesunken ist: Rhode Island, Massachusetts, Minnesota, Iowa, Connecticut, Hawaii und Vermont gehören zu dieser illustren Gruppe.
Haben der stark verbesserte Versicherungszugang und Versichertenschutz Obamas Landsleute mittlerweile von den Vorzügen der Gesundheitsreform überzeugt? Auch hier gibt es hoffnungsvolle Zeichen, auch wenn die Reform noch keineswegs als beliebt gelten kann. Laut einer Gallup-Umfrage hatten im Juli 47 Prozent der US-Amerikaner eine positive Meinung zur neuen Versicherungslandschaft.
Das ist zwar immer noch nicht umwerfend, aber eine beachtliche Verbesserung im Vergleich zu Umfragen Ende 2013/Anfang 2014, als die Zustimmung bei ernüchternden 38 Prozent lag. Die Hoffnung Obamas und der demokratischen Partei, dass sich die Sturmwogen um die Reform bis zur nächsten Präsidentschaftswahl geglättet haben werden, könnte also aufgehen.
Es war zumindest erstaunlich, dass bei der ersten Debatte der republikanischen Präsidentschaftsanwärter im August das Thema "Obamacare" so gut wie keine Rolle spielte, obwohl sämtliche konservativen Kandidaten die Abschaffung der Reform verlangen.
Egal, was die Wahl im kommenden Jahr bringt - Obama regiert einstweilen mit neuem Schwung weiter. Da er weiß, dass er mit dem republikanisch dominierten Kongress keine gerade Furche ziehen kann, agiert er, so weit er kann, mit Verordnungen an ihm vorbei.
Anfang September, bezeichnenderweise am (Feier-)Tag der Arbeit, gab er zum Beispiel neue Regierungsregeln bekannt, die direkt die Gesundheit von Arbeitnehmern betreffen. Anspruch auf bis zu sieben bezahlte Fehltage ("sick days") soll es von 2017 an für alle geben, die Vertragsarbeit für die Regierung leisten.
Fehltage werden bezahlt
Gesetzlich ist bisher nur vorgeschrieben, dass Mitarbeiter Anspruch auf unbezahlte Fehltage haben, wenn sie krank sind oder Familienangehörige pflegen müssen. Eine Vergütung solcher "sick days" liegt im Ermessen des Arbeitgebers. Rund 40 Prozent der Arbeitnehmer im Privatsektor kommen bisher nicht in den Genuss von bezahlten Fehltagen, so das Weiße Haus.
Obamas Verordnung soll jetzt rund 300 000 Vertragsarbeitnehmern bezahlte Fehltage gewähren. Der Präsident setzt damit ein klares Zeichen für private Arbeitgeber.
Unterdessen schreitet der Vorwahlkampf in den USA voran. Die Kandidaten für die Nachfolge von Obama formieren sich. Für den TV-Sender CNBC gibt es keinen Zweifel: Für einen republikanischen Kandidaten könnte es leichter werden Präsident zu werden als hinterher im Amt Obamacare zu kippen.
Immerhin haben auch Hillary Clinton und Bernie Sanders als demokratische Bewerber deutlich gemacht, dass sie durchaus Reformbedarf sehen: Das Gesetz optimieren - dieses Ziel dürfte nach der Wahl eine realistische Option sein. (Mitarbeit: fuh)