Hintergrund

Oberstes US-Gericht blockiert Hinrichtungen

Mit Erfolg haben jetzt Todeskandidaten in Arkansas gegen die Verwendung von Midazolam in der Giftspritze geklagt. Pharmafirmen sind schon seit Jahren strikt gegen die Verwendung ihrer Mittel für Hinrichtungen.

Christoph WinnatVon Christoph Winnat Veröffentlicht:
Der Bundesstaat Arkansas hat es mit Hinrichtungen derzeit eilig, weil demnächst das Haltbarkeitsdatum seiner Midazolam-Bestände abläuft.

Der Bundesstaat Arkansas hat es mit Hinrichtungen derzeit eilig, weil demnächst das Haltbarkeitsdatum seiner Midazolam-Bestände abläuft.

© Bilderbox / chromorange / picture-alliance

Der Oberste Gerichtshof der USA hat den geplanten Exekutionen im Bundesstaat Arkansas vorerst einen Riegel vorgeschoben. Der Supreme Court lehnte am späten Montagabend die Berufung des US-Bundesstaates Arkansas ab und betätigte damit eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes von Arkansas. Der hatte zuvor zwei der acht bis Ende April angesetzten Hinrichtungen blockiert, die noch am Abend hätten stattfinden sollen.

Arkansas hatte im Fall eines der beiden Männer Berufung eingelegt und wollte an dessen Exekution festhalten. Der Bundesstaat hat es mit Hinrichtungen derzeit eilig, weil demnächst das Haltbarkeitsdatum seiner Midazolam-Bestände abläuft. Das Sedativum ist ein Bestandteil des Giftcocktails, mit dem in Arkansas die Todesstrafe vollstreckt wird. Das Mittel ist jedoch umstritten. Berichten zufolge sollen Häftlinge unter Beimischung von Midazolam wiederholt qualvoll gestorben sein. Gegen die Verwendung von Midazolam waren die aktuell betroffenen Delinquenten vor Gericht gezogen.

Behörde umging Lieferverbot

Eine weitere Klage hatte der Pharmagroßhändler McKesson angestrengt. Er konnte am Karfreitag vor einem Berufungsgericht in Poulaski County eine Einstweilige Verfügung erwirken, die der Gefängnisbehörde von Arkansas die Verwendung von Vecuroniumbromid untersagte. Das Muskelrelaxans ist ein weiterer Bestandteil der Todesspritze und wird von Pfizer hergestellt. Pfizer jedoch hat den Gebrauch seines Mittels für Hinrichtungen ausdrücklich untersagt und Handelspartner auf eine entsprechende Lieferpolitik eingeschworen. McKesson macht geltend, die Gefängnisbehörde von Arkansas habe sich das Mittel unter Vorspiegelung falscher Tatsachen beschafft und behauptet, es würde ausschließlich zu medizinischen Zwecken eingesetzt. Als man davon erfahren habe, dass dem nicht so sei, habe McKesson die Gefängnisbehörde umgehend zur Rückgabe der gelieferten Charge aufgefordert, allerdings vergeblich.

Wie es am Ende für die Todeskandidaten in Arkansas ausgehen wird, ist offen. Der Staat pocht weiter auf die Hinrichtungen, trotz Protesten aus dem In- und Ausland.

Industrie kontrolliert Vertríeb

Wegen der anhaltenden Drogenknappheit lassen einzelne US-Staaten inzwischen den elektrischen Stuhl oder Erschießungskommandos als alternative Formen der Hinrichtung zu. Der Staat Arizona hatte anscheinend eine andere Idee: Er bot nach Medienberichten den Anwälten von Delinquenten an, eigene tödliche Medikamente zur Hinrichtung mitzubringen.

Bereits seit Jahren wehren sich Arzneimittelhersteller gegen den Missbrauch ihrer Produkte zu Exekutionszwecken. Zu einem besonders gravierenden Schritt sah sich beispielsweise Anfang 2011 Hospira veranlasst. Als damals einziger US-Hersteller von Natriumpentothal gab das Unternehmen die Produktion des Schlafmittels endgültig auf, nachdem trotz Auslieferstopps in den USA weiterhin Hospira-Tiopenthal für Hinrichtungen verwendet wurde. Zuletzt hatte vor einem Jahr Pfizer für etliche seiner Produkte verfügt, dass Zwischenhändler damit keine Exekutions-Einrichtungen beliefern dürfen. Erst im Februar dieses Jahres wurde diese Liste um vier weitere Wirkstoffe ergänzt. Die eindeutigen Vertriebsvorgaben der Hersteller können allerdings nicht immer verhindern, dass Wirkstoffe über dunkle Kanäle hier und da doch den Weg in die Todeskammern der 31 US-Bundesstaaten finden, die hinrichten.

Das zeigt auch der jüngste Fall von Arkansas. So berichtet der Fresenius-Konzern, der in den USA unter anderem mit der Generikalinie Kabi vertreten ist, gleichfalls betroffen zu sein. Beim Gouverneur von Arkansas habe man Protest eingelegt, weil ein von Kabi hergestelltes Kaliumchlorid in Behördenbesitz gelangt sei. Man habe zwar schon vor Jahren "strikte Kontrollmechanismen installiert", versicherte ein Konzernsprecher gegenüber der "Ärzte Zeitung", "um die bestimmungsgemäße Verwendung des Wirkstoffs zu gewährleisten ohne dabei die Marktversorgung zu gefährden". Diese Kontrollen hätten auch funktioniert, "das haben wir geprüft". Darüber, wie die Gefängnisbehörde von Arkansas dennoch an das Kabi-Mittel gelangt sei, lasse sich nur spekulieren. (mit Material von dpa)

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