Freiwillige Selbstverpflichtung reicht Minister nicht
Özdemir will Lebensmittelproduzenten Reduktionsziele vorgeben
Das Bundesernährungsministerium sieht sich durch einen Bericht bestätigt: Die Lebensmittelindustrie tut nicht genug, um Salz, Fett und Zucker in Produkten zu reduzieren. Sie soll deshalb strengere Vorgaben bekommen.
Veröffentlicht:Berlin. Mit den bisher freiwilligen Anstrengungen der Lebensmittelwirtschaft, den Anteil von Zucker, Fetten und Salz in Fertigprodukten zu reduzieren, ist Bundesernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) nicht zufrieden. Er will der Industrie nun bis Ende 2024 strengere Vorgaben machen.
Das sieht die im Januar veröffentlichte Ernährungsstrategie der Bundesregierung ohnehin vor. Bestätigt darin sieht sich das Ministerium jetzt aber durch den am Donnerstag veröffentlichten zweiten Zwischenbericht im Rahmen der Nationalen Reduktions- und Innovationsstrategie (NRI), der auf einer Erhebung des Max Rubner-Instituts (MRI) im Jahr 2022 basiert.
„In vielen Produkten weiterhin zu hoch“
Die Auswertung zeigt laut Pressemitteilung des Ernährungsministeriums, dass die Gehalte an Zucker, Fetten und Salz zwar in einigen Lebensmittelgruppen reduziert wurden, „in vielen Produkten aber weiterhin zu hoch sind“. Teilweise seien sogar Erhöhungen der Energie- bzw. Nährstoffgehalte festgestellt worden.
Bei Joghurtzubereitungen etwa seien kontinuierliche Zuckerreduktionen sichtbar, im Vergleich zu einer Erhebung 2019 um sechs Prozent. Bei gesüßten Quarkzubereitungen habe dagegen seit 2019 keine statistisch signifikante Veränderung stattgefunden. In gesüßten Milchprodukten „mit Kinderoptik“ sei der Zuckergehalt nach wie vor hoch. Er lag 2022 bei durchschnittlich 11,5 g pro 100 Gramm. „Das Reduktionstempo hat sich verlangsamt“, so das Ministerium.
Nachlassender Eifer
Überhaupt stellt das Ministerium fest, dass nach einer Basiserhebung im Jahr 2016 die Industrie zwar teils bedeutende Anstrengungen unternommen hat, Zucker zu reduzieren. Nach der ersten Folgeerhebung 2019 sei dann aber nicht mehr viel passiert.
So wurde bei gesüßten Erfrischungsgetränken zwischen Basis- und erster Folgeerhebung ein signifikanter Rückgang der Zuckergehalte festgestellt. „Dieser setzte sich jedoch zwischen erster (2019, d. Red,) und zweiter Folgeerhebung (2022, d. Red.) nicht fort. Bei fruchthaltigen Getränken mit Zuckerzusatz gab es zwischen 2018 und 2022 keine signifikanten Veränderungen in den Zuckergehalten“, heißt es.
Institut soll wissenschaftlich fundierte Ziele ausarbeiten
Bei Feingebäck ließ sich laut Bericht zwischen 2016 und 2021 zwar eine durchschnittliche Zuckerreduktion um sieben Prozent feststellen. Dafür aber stellte das MRI fest, dass der Gehalt an Fett und gesättigten Fettsäuren um 4,3 beziehungsweise 4,8 Prozent stieg.
Der zweite NRI-Zwischenbericht verdeutliche, dass die bisherigen Reformulierungen nicht ausreichen, stellte Bundesernährungsminister Özdemir fest. Deshalb sei das MRI damit beauftragt worden, wissenschaftlich unterlegte Reduktionsziele zu entwickeln in einem Stakeholder-Prozess.
Ministerium will bei Industrie „einfordern“
Diese Vorgaben, die für relevante Lebensmittelgruppen gelten sollen, sollen bis Ende 2024 vorliegen. „Diese objektive, wissenschaftlich fundierte Grundlage für weitere Reformulierungen wird mein Ministerium gegenüber der Lebensmittelwirtschaft einfordern“, so Özdemir.
Schon in der Ernährungsstrategie der Bundesregierung, die Özdemir im Januar 2024 vorgelegt hat, hat das Ministerium die Ausarbeitung von Reduktionszielen bis zum Ende des Jahres angekündigt. „Als spezielle Zielgruppen, auf die entsprechende Reduktionsziele abgestimmt werden, sollen insbesondere auch Kinder und Jugendliche betrachtet werden“, heißt es dort.
Im Zuge der Strategie verfolgt die Regierung auch das Ziel, die Zusammensetzung der Lebensmittel systematisch zu erfassen und Veränderungen bei relevanten Nährstoffgehalten permanent zu erheben. (juk)