Unabhängige Patientenberatung
Patientenvertreter drohen mit Ausstieg aus Lauterbachs UPD-Neustart
Das Gesundheitsministerium räumt dem GKV-Spitzenverband weitgehend freie Hand beim Aufbau einer Stiftung zur Unabhängigen Patientenberatung ein. Der Patientenbeauftragte der Regierung sieht die Unabhängigkeit in Gefahr.
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Offene Zukunft. Die geplanten Strukturen der neuen Unabhängigen Patientenberatung sind umstritten.
© UPD / Ausserhofer
Berlin. Der GKV-Spitzenverband und das Bundesgesundheitsministerium haben sich offenbar bilateral über die Zukunft der Unabhängigen Patientenberatung (UPD) geeinigt. Dazu hat am Vormittag der Verwaltungsrat des Spitzenverbandes getagt. Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung Stefan Schwartze (SPD) reagierte vergrätzt: Die Einigung gefährde die Unabhängigkeit der geplanten Beratungstätigkeit. Patientenorganisationen kündigten an, das Projekt nicht mehr zu unterstützen.
Der GKV-Spitzenverband hatte im Vorfeld die Pläne zur rechtlichen Neuordnung der UPD zunächst abgelehnt. In der Stellungnahme zum Gesetzentwurf bezeichnete der Verband die Gesetzgebungskompetenz des Bundes als „problematisch“. Bei der im Gesetzentwurf geplanten UPD handele sich nicht um „Sozialversicherung“ im eigentlichen Sinne.
GKV sieht sich als Treuhänder der Versichertenbeiträge
Schließlich sollten die Leistungen unabhängig vom Versichertenstatus erbracht werden und auch Rechtsberatung für alle Bürgerinnen und Bürger vorsehen. Um die verfassungsrechtlichen Vorgaben zu erfüllen, müsse der Spitzenverband als Treuhänder der Beitragsgelder, aus denen die UPD finanziert werden solle, maßgebliche Mitbestimmungsrechte erhalten.
Der GKV-Spitzenverband soll die UPD mit 15 Millionen Euro im Jahr aus Beitragseinnahmen finanzieren. Die PKV soll einen Anteil davon übernehmen.
Am Donnerstag tagte dazu der Verwaltungsrat des Spitzenverbandes. Dabei hätten die Räte beschlossen, nun doch an der Errichtung der Stiftung „Unabhängige Patientenberatung“ mitzuwirken. Grundsätzlich sehe man aber als beste Lösung eine Finanzierung aus Steuermitteln, teilte der Verband mit. Die Gespräche mit dem Gesundheitsministerium ordnete der Verwaltungsrat als „konstruktiv“ ein.
Ministerium macht Zugeständnisse
Die Führungsebene des Ministeriums hatte dem Kassenverband im Vorfeld Zugeständnisse gemacht. In einem Schreiben des Ministeriums, das die bisherigen Gespräche zusammenfasst, heißt es, dass der Schwerpunkt der Informations- und Beratungstätigkeit der künftigen Stiftung UPD in erster Linie auf gesetzlich Versicherten liegen solle. Das Schreiben liegt der Ärzte Zeitung vor.
Zudem verweisen die parlamentarische Staatssekretärin Sabine Dittmar (SPD) und Staatssekretär Dr. Thomas Steffen darauf hin, dass dem GKV-Spitzenverband als Errichter der künftigen Stiftung die „wichtige Rolle“ zufalle, der Stiftung eine Satzung zu geben. In diesem Zusammenhang könne er im Einvernehmen mit dem Ministerium und dem Patientenbeauftragten die Grundlagen und die Tätigkeit der Stiftung konkretisieren. Schwerpunkt solle der Leistungskatalog des SGB V sein.
Dies könnte allerdings implizieren, dass die Beratung von privat und gar nicht Versicherten hinten runterfallen könnte. Der PKV-Verband geht ohnehin davon aus, dass die UPD aus Steuermitteln finanziert gehöre.
Patientenbeauftragter meldet „große Zweifel“ an
Das Ministerium hat dem Spitzenverband darüber hinaus die Möglichkeit eingeräumt, gegen Anträge aus dem Stiftungsrat als einzige der beteiligten Organisationen Einspruch anzumelden und ihn darin zu unterstützen, wenn ein Antrag nach Auffassung des Spitzenverbandes begründet nicht mit einer wirtschaftlichen Haushaltsführung vereinbar sei.
Patientenbeauftragter Schwartze meldete am Donnerstag „große Zweifel“ an, ob unter den sich nun abzeichnenden Voraussetzungen die beste Beratung für die Patientinnen und Patienten erreicht werden könne. Die Einflussnahme auf Beratungsinhalte sei „inakzeptabel“. Er sehe zudem die Gefahr, dass die Patientenorganisationen unter diesen Umständen gar nicht mehr an der geplanten Stiftung mitwirken könnten. Und dies wiederum widerspreche dem ausdrücklichen Willen des Parlaments.
Patientenorganisationen sehen Projekt den Kassen ausgeliefert
Eben diese Patientenorganisationen sehen die Unabhängige Patientenberatung unter diesen Kautelen „vollständig den Krankenkassen“ ausgeliefert. Der GKV-Spitzenverband sei nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems. Ausgerechnet der Teil der Selbstverwaltung, der seit mehr als 15 Jahren am häufigsten von den Patientinnen und Patienten kritisiert werde, solle nun das „absolute Sagen“ bekommen, heißt es bei Patientenorganisationen und Verbraucherschützern.
Die Organisationen kündigten am Donnerstag an, dass sie nicht an einer UPD mitwirken würden, die derart vollständig unter der Regie des Spitzenverbandes stehe. Für unabhängige Beratungsarbeit stünden die Organisationen auf allen Ebenen zur Verfügung. Zu diesen Organisationen gehören unter anderem die BAG Selbsthilfe, die Bundesarbeitsgemeinschaft PatientInnenstellen, der Sozialverband Deutschland, der VdK und der Verbraucherzentrale Bundesverband.