Landtagsdebatte

Pflegekammer in neuen Turbulenzen

In Niedersachsen brechen alte Grundsatzkonflikte auf. SPD-Gesundheitsministerin Reimann verteidigt die Pflichtmitgliedschaft. Andere Fraktionen schwanken zwischen Abwarten und Abrissbirne.

Von Christian Beneker Veröffentlicht:

Hannover. Zwangsmitgliedschaft und Finanzierung: Die Kritik an der Pflegekammer in Niedersachsen reißt nicht ab. Die Kammer arbeitet seit August 2018, rund 80 000 Pflegende aus Kinder-, Kranken- und Altenpflege in Niedersachsen sind Pflichtmitglieder. In mehreren Protestaktionen haben sich Pflegende seither gegen die Zwangsmitgliedschaft gewandt.

Sozialministerin Dr. Carola Reimann (SPD) dagegen verteidigt sie. Im Hannoveraner Landtag stritten die Abgeordneten nun erneut über die Architektur und Finanzierung einer Vertretung der Pflegenden im Land.

In einer Dringlichkeitsanfrage hatte die AfD-Fraktion gefragt, wie es um die Liquidität der Kammer bestellt sei. Denn die Kammer habe 2018 mit rund 3,45 Millionen Euro Einnahmen kalkuliert, aber wegen der Proteste der Pflegenden nur 2,17 Millionen eingenommen, hieß es. Wie hoch waren die Beitragseinnahmen?

Derzeit verfüge die Kammer aus den Jahren 2018 und 2019 über Beitragseinnahmen von rund 3,93 Millionen Euro, erklärte Reimann. „Die Liquidität der Pflegekammer Niedersachsen ist somit nicht gefährdet.“ Heftig kritisiert wurde die Entscheidung, dass der Kammer bei ihrer Gründung keine Anschubfinanzierung gewährt wurde. „Aus heutiger Sicht war es ein Fehler, diese Anschubfinanzierung nicht vorzusehen“, räumte Reimann ein.

3,45 Mio. Euro betrugen die für 2018 kalkulierten Einnahmen der Pflegekammer Niedersachsen. Tatsächlich flossen der Kammer aber nur 2,17 Millionen Euro zu.

Die CDU, in Niedersachsen die Koalitionspartnerin der SPD, sprach sich erneut gegen Pflichtbeiträge aus und setzt auf die Ergebnisse einer Evaluation der Kammer. Seit September prüft die Unternehmensberatung Kienbaum im Auftrag des Ministeriums die Arbeit der Kammer. „Lassen Sie uns gemeinsam den Weg der Evaluation weiter gehen“, sagte Volker Meyer, sozialpolitischer Sprecher der CDU im Landtag. Erst dann solle über die Zukunft der Kammer neu entschieden werden. Die CDU jedenfalls sei für eine freiwillige Mitgliedschaft.

Auch Anja Piel von den Grünen im Landtag sieht Fehler bei der Kammer, und schlug vor, die Anschubfinanzierung nachzuholen. Die FDP und die AfD im Landtag sprachen sich erneut gegen die Zwangsmitgliedschaft in der Kammer aus. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Stefan Birkner will den Neuanfang der Kammer – mit freiwilliger Mitgliedschaft und steuerfinanziert.

Sozialministerin Reimann dagegen besteht auf der Pflichtmitgliedschaft, um eine politisch legitimierte und starke Vertretung der Pflegenden im Land zu etablieren, sagte sie dem Norddeutschen Rundfunk: „Die Legitimität der Kammer ist nur durch Pflichtmitgliedschaft zu erreichen.“

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