Innovationsfonds
"Projektideen könnten innovativer sein"
Harsche Kritik an der Ausgestaltung des Innovationsfonds übt der Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats des Innovationsausschusses.
Veröffentlicht:BERLIN. Gleich in mehrfacher Hinsicht muss am Innovationsfonds nachgebessert werden. Das fordert der Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats des Innovationsausschusses, Professor Holger Pfaff. Er hält Änderungen am Förderzeitraum, der Themensetzung und dem Innovationsgehalt der Projekte für dringend notwendig.
"Die Projektideen könnten innovativer sein", sagt Pfaff beim Innovationsforum der Universitätskliniken in Berlin. Er vermisst bei den Projektanträgen krankheitsübergreifende Strategien und kritisiert, dass Versorgungsinnovationen, die mehrere Bereiche des Sozialrechts einbeziehen, völlig fehlen würden. "Die Krankenversorgung wird nicht mit der Pflege verknüpft, nicht mit der Rehabilitation, der Prävention und schon gar nicht mit Social Care", sagte der Versorgungsforscher.
Pfaff bemängelt auch, dass wirklich neue Versorgungsideen bisher in den Anträgen nicht zu finden seien. "Disruptive Innovationen sieht man kaum", sagt der Versorgungsforscher. Viele Projekte bieten stattdessen zur Lösung von Versorgungsproblemen den Einsatz von Lotsen oder IT an. "Wir wissen aus der Industrieforschung, dass IT-Lösungen nicht unbedingt immer gute Lösungen sind", so Pfaff. Für echte Strukturinnovationen müssten aber Disziplinen jenseits von Medizin und IT einbezogen werden, etwa die Organisationsforschung.
Als problematisch betrachtet Pfaff auch die Förderzeiträume. Nur jedes sechste Projekt hat eine Laufzeit von mehr als drei Jahren. Der Fonds begrenzt die Laufzeit auf maximal vier Jahre. Dieser Zeitraum ist aus Pfaffs Sicht zu kurz für eine aussagekräftige Evaluation.
"Wir testen oft unfertige Dinge", kritisiert er. Pfaff warnt davor, dass der Zeitaufwand für den Strukturaufbau oft unterschätzt werde. Neue Systeme würden nicht auf Knopfdruck funktionieren, vielmehr sei ein Change Management nötig.
Insgesamt spricht das Antragsvolumen des Innovationsfonds aus Pfaffs Sicht für einen Innovationsstau in der Versorgung und Versorgungsforschung. Daher fordert er auch, dass der Fonds zu einer dauerhaften Einrichtung wird. Wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft die Grundlagenforschung und das Bundesforschungsministerium die anwendungsnahe Grundlagenforschung, soll der Innovationsfonds nach Pfaffs Vorstellungen die Anwendungsforschung dauerhaft fördern.
Allein im Jahr 2016 gingen beim Innovationsfonds Pfaff zufolge Anträge mit einem Gesamtvolumen von knapp 1,7 Milliarden Euro ein. Bewilligt wurden bei den verschiedenen Tranchen in den beiden Förderbereichen für Neue Versorgungsformen und Versorgungsforschung jeweils zwischen 21 und 24 Prozent der Anträge. Keine Chance hatten Pfaff zufolge allerdings Projekte mit einem sehr großen Volumen im zweistelligen Millionenbereich auf dem Feld der Versorgungsforschung.
Noch im Herbst will der Innovationsausschuss laut Pfaff die Projektförderung für 2018 ausschreiben. Sie soll erstmals themenspezifisch erfolgen. Der Beiratsvorsitzende kündigte zudem an, dass die wissenschaftlichen und methodischen Anforderungen an die Anträge in einem Paper konkretisiert werden soll. "Wir müssen die Standards hochhalten, damit die Entscheidung, was in die Routineversorgung kommen soll, wirklich fundiert ist", sagt er.
Die Qualität der Anträge steigt nach Pfaffs Beobachtungen. Der Anteil randomisierter Studien nehme zu. Das führt der Beiratsvorsitzende auch auf die Konstruktion des Innovationsfonds zurück: "Ich habe den Eindruck, dass dieses System zwar politisch motivierte Entscheidungen nicht ausschließt, aber aus meiner Sicht verhindert es, dass schlechte Konzepte ausgewählt werden", so Pfaff.Er verweist auch auf Vorzüge des Fonds: "Er ist kompetitiv, methodisch anspruchsvoll und bringt zukunftsweisende Kooperationen hervor." Der Fonds habe Druck zu mehr Zusammenarbeit im System erzeugt.