Konzertierte Aktion Pflege
Regierung plant mehr Kompetenzen für Pflegekräfte
Die Übertragung von Heilkunde auf Pflegekräfte macht einmal mehr von sich reden. Kommende Woche startet die Regierung einen neuen Anlauf.
Veröffentlicht:Berlin. Die Bundesregierung geht eine Dauerbaustelle im Gesundheitswesen an. Pflegekräfte sollen mehr medizinische Kompetenzen erhalten. Am 27. Januar startet Regierungsangaben zufolge eine Strategiearbeitsgruppe zur „Neujustierung der interprofessionellen Zusammenarbeit“.
Anders als am Mittwoch in Medienberichten verlautbart, werden dazu aktuell im Januar noch keine Gesetzeseckpunkte erwartet. Beide Regierungsfraktionen hatten im vergangenen Sommer darauf gedrängt, den Strategieprozess unmittelbar nach der Sommerpause anzugehen. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung ist zur Mitarbeit in der Strategiegruppe eingeladen.
Standards für die Zusammenarbeit
Die Arbeitsgruppe ist ein Ergebnis der Konzertierten Aktion Pflege (KAP), die die Koalition aus Union und SPD zu Beginn der Legislatur aufgelegt hat. Die KAP hat sich zum Beispiel darauf geeinigt, Standards der Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Pflegekräften zu entwerfen.
So solle „ein gemeinsames Verständnis für eine teamorientierte, interprofessionelle Zusammenarbeit der an der medizinischen, sozialen, pflegerischen und therapeutischen Versorgung beteiligten Berufsgruppen“ geschaffen werden, heißt es in den Vereinbarungen der Konzertierten Aktion dazu. Dazu gehöre auch „die Entwicklung eines Rahmens für Pflegefachpersonen, in dem sie bei Vorliegen der formalen und materiellen Qualifikation (Kompetenzen) die standardisierten (festgelegten) Prozeduren oder Maßnahmen eigenständig übernehmen können“.
Wie weit sind die Modellversuche?
Die Vertragsärzte und die Krankenkassen waren von den Teilnehmern der Konzertierten Aktion aufgefordert worden, bis zum 31. Dezember 2019 die Voraussetzungen zu schaffen, dass Vordrucke aus der vertragsärztlichen Versorgung zur Verordnung von Hilfsmitteln in Modellversuchen auch von Pflegepersonen verwendet werden können. Bis Ende 2020 erwartet das Bundesministerium für Gesundheit demnach Wasserstandsmeldungen, inwieweit die Modellversuche gediehen sind.
Die Diskussion um mehr medizinische Kompetenzen für die Pflege ist nicht neu. Mit der zunehmenden Akademisierung der therapeutischen und pflegerischen Berufe wird nun der Ruf lauter, den Angehörigen dieser Berufe im Behandlungsprozess mehr Verantwortung zu übertragen. Bereits in seinem Gutachten von 2007 hat der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen angemahnt, die Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe neu auszurichten.
Westerfellhaus sieht Widerstände aus der Ärzteschaft
Im Jahr 2012 machte der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Krankenkassen und Krankenhäusern (GBA), dann den Weg für die Übertragung von Heilkunde auf Pflegekräfte frei. Der Gesetzgeber hatte zuvor mit dem Paragrafen 63 Absatz 3c SGB V die gesetzlichen Voraussetzungen dafür geschaffen.
Aber: Seither ist nichts geschehen. Bis heute ist diesem Beschluss kein einziges Modellprojekt entsprungen. Der Richtlinie lässt sich immerhin entnehmen, welche ärztlichen Tätigkeiten an Pflegekräfte übertragbar sein sollen. Sie beschränken sich auf bestimmte Diagnosen und Indikationsstellungen, die laut Richtlinie in ärztlicher Verantwortung bleiben.
Hier zählt die ärztliche Verantwortung
- Diabetes mellitus Typ-1 und 2
- Chronische Wunden
- Demenz (ausgenommen Palliativversorgung)
- Verdacht auf Hypertonus (nicht bei Schwangerschaft)
- Übertragbar sollen zudem beispielsweise Blutentnahmen, die Durchführung von Infusionen und Injektionen, das Legen und Überwachen von bestimmten Sonden und Kathetern, die Verordnung und Versorgung mit Medizinprodukten, die beim Legen von Ableitungen, Entlastungen oder Zugängen benötigt werden, die Schmerztherapie sowie das Überleitungsmanagement in weiterbehandelnde Einrichtungen sein.
Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, machte dafür, dass sich bei der Heilkundeübertragung bislang nichts wirklich Zählbares ergeben hat, im Interview mit der „Ärzte Zeitung“ als Ursache „vehemente Widerstände“ aus der Ärzteschaft aus.
„Das geht soweit, dass behauptet wird, die Patientenversorgung werde damit gefährdet“, sagte Westerfellhaus. Wer so argumentiere, verkenne, dass sich die Pflegeprofession weiterentwickelt habe, sagte der Pflegebevollmächtigte.