Beherbergungsverbot
Spahn sieht im Reisen nicht die Hauptursache der Coronaverbreitung
Leise Kritik an den Folgen des Beherbergungsverbots kommt aus dem Bundestag. Und: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn schließt eine Impfpflicht für Corona erneut aus. Derweil findet RKI-Chef Wieler die Neuinfektionsgrenzwerte nicht perfekt, verteidigt sie aber dennoch.
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Wie gefährlich sind Reisen für die Verbreitung von SARS-CoV-2? RKI-Präsident Professor Lothar H. Wieler (l.) ist da etwas kritischer als Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. (Archivbild)
© Tobias Schwarz/dpa/AFP Pool
Berlin. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat im Vorfeld der Beratungen von Bund und Ländern über das Beherbergungsverbot und weitere Regelungen die Reisetätigkeit als nicht ursächlich für den Anstieg der Infektionen mit dem neuartigen Corona-Virus bezeichnet. Der Eintrag aus jeweils anderen Bundesländern und aus dem Ausland spiele dabei eine „untergeordnete Rolle“, sagte Spahn.
Im August seien die Reiserückkehrer noch für 50 Prozent der Infektionen verantwortlich gewesen. Dieser Wert liege nun bei unter zehn Prozent. Das Beherbergungsverbot sorge zudem dafür, dass die Testkapazitäten von Reisewilligen absorbiert würden, warnte Spahn.
Einen echten Engpass gebe es beim Öffentlichen Gesundheitsdienst. „Bei der Kontaktnachverfolgung stoßen die Gesundheitsämter an ihre Grenzen“, sagte Spahn am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Berlin. Damit gerate der bisherige Erfolgsfaktor in Deutschland in Gefahr.
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Was denken Maag und Wieler über die Corona-Grenzwerte?
Auch die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Karin Maag, reagierte zurückhaltend auf die Forderung nach weiteren Kriterien für Corona-bedingte Einschränkungen. „Ich bin da zwiespältig“, sagte Maag am Mittwoch bei einer virtuellen Pressekonferenz.
Die jetzige Regelung, wonach ab 35 beziehungsweise 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner Einschränkungen greifen, habe sich „eingebürgert“, betonte Maag. Der Wert lasse sich gut erklären und finde breite Akzeptanz in der Gesellschaft. „Wenn ich bei diesem auslösenden Element jetzt nochmal Neues einfordere, wird es schwierig, die Akzeptanz zu erhalten.“
Es gebe keinen perfekten Wert, sagte der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI) am Mittwoch vor der Bundespressekonferenz. Der aktuelle Wert sei allerdings „praktikabel“, weil andere Länder ihn auch benutzten. Grundsätzlich sei Mobilität ein Grund, warum sich das Virus ausbreite, sagte Professor Lothar H. Wieler.
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Mit Blick auf die aktuellen Beratungen zwischen Bund und Ländern sagte Maag: „Ich hoffe, dass wir mehr Einheitlichkeit kriegen.“ Sie könne zwar „sehr gut“ nachvollziehen, wenn etwa der Ministerpräsident Brandenburgs sage, dass wegen der aktuell hohen Inzidenz an Coronafällen in der Hauptstadt nur getestete Berliner nach Brandenburg reisen dürften. „Das macht aber wenig Sinn, wenn gleichzeitig Brandenburger nach Berlin zum Arbeiten gehen und sich dort der Gefahr einer Infektion aussetzen.“
Coronaimpfung mit Priorisierung
Um das Infektionsgeschehen stark zu beeinflussen bedürfe es einer Impfquote von 55 Prozent, sagte Jens Spahn. Eine Impfpflicht könne er gleichwohl ausschließen. Er gehe davon aus, dass die Impfungen gegen COVID-19 zunächst in Impfzentren stattfinden. Das bestätigte der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (STIKO) Professor Thomas Mertens.
Das hänge mit der wahrscheinlich notwendigen Kühlung des Impfstoffs, aber auch mit der notwendigen Priorisierung der COVID-19-Impfungen zusammen. Man könne den Hausärzten nicht zumuten, langjährigen Patienten sagen zu müssen, dass zunächst andere Personen geimpft werden müssten. Die STIKO arbeite derzeit Empfehlungen zur Priorisierung aus. (af/hom)