Hilfe für Hilflose
Sprechstunden für Menschen im Abseits
An wen wenden sich Kranke, die nicht krankenversichert sind und Angst vor der Abschiebung aus Deutschland haben? In München an das Projekt open.med. Seit zehn Jahren helfen die ehrenamtlichen Ärzte Hunderten von Patienten.
Veröffentlicht:MÜNCHEN. Nichts geht ohne ehrenamtlich tätige Ärzte: Seit zehn Jahren gibt es das Angebot open.med der internationalen Hilfsorganisation Ärzte der Welt zur medizinischen Versorgung von Menschen ohne Krankenversicherung in München. Bei der Jubiläumsfeier wurden nun neue, größere Räume in der Dachauer Straße eröffnet.
Neben zwei allgemeinmedizinischen Sprechstunden pro Woche gibt es im zweiwöchentlichen Wechsel gynäkologische und pädiatrische Angebote sowie Sprechstunden für chronisch und psychisch Kranke.
Wie viele Nicht-Krankenversicherte gibt es in Deutschland?
Etwa 80 000 Menschen leben in Deutschland ohne Krankenversicherung, die Dunkelziffer wird weit höher geschätzt. 4000 Patienten, 12 000 Konsultationen, 100 ehrenamtlich Tätige, so die open.med-Zahlen der vergangenen zehn Jahre. Dabei haben sich zwischen 2009 und 2014 die Patientenzahlen verdoppelt, die Konsultationen verdreifacht.
Derzeit gibt es pro Jahr 2000 Behandlungstermine für etwa 600 Patienten. Etwa 70 Prozent sind EU-Bürger aus Bulgarien und Rumänien, insbesondere Angehörige der dortigen Roma-Minderheiten. Knapp ein Fünftel sind nicht krankenversicherte Deutsche.
Die Beschwerden entsprechen der regulären Praxis, sagt Klaus Westenthanner, Allgemeinarzt in Weiterbildung und seit 2010 bei open.med. Patienten erfahren seinen Erfahrungen zufolge oft spät vom Angebot. Viele hätten aber auch wegen fehlendem Aufenthaltsstatus Angst vor einer Abschiebung.
Kostenlose und anonyme Behandlung
Die Folge: Viele Beschwerden werden spät vorgestellt, oft erst bei Komplikationen. Deshalb ermöglicht open.med nicht nur die kostenfreie, sondern zudem auf Wunsch eine anonyme Behandlung.
Das Projekt wird im Rahmen des "Münchner Modells" zur Versorgung von Menschen ohne Papiere und ohne Krankenversicherung von der Stadt gefördert. Weitere Kosten trägt Ärzte der Welt mit öffentlichen Zuschüssen und Privatspenden. (cmb)