Präventionsgesetz
Startbereit für die Praxis?
Die Regierung plant einen neuen Anlauf für ein Präventionsgesetz. 2016 soll es in Kraft treten und rund 500 Millionen Euro für Leistungen bereitstellen. Was bedeutet das für Ärzte und wo gibt es Kritik? Eine Zwischenbilanz.
Veröffentlicht:BERLIN. Es ist der vierte Versuch - und wenn er wieder scheitert, auch der Letzte. Das neue Präventionsgesetz soll die Menschen stärker dort abholen, wo sie leben und arbeiten: In Kita, Schule oder Betrieb.
Chronologie des Präventionsgesetzes
2005 hatte die Große Koalition ein Präventionsgesetz im Bundestag verabschiedet. Das scheiterte dann allerdings im Bundesrat. Dasselbe Schicksal hatte kurz zuvor ein Gesetzesvorstoß der rot-grünen Koalition erlitten.
2009 hat der Koalitionsvertrag von Schwarz-Gelb das Thema Prävention wieder aufgegriffen. Union und FDP kündigten darin eine Präventionsstrategie an. Allerdings scheiterte das Vorhaben erneut an der Hürde Bundesrat.
2013 wagte die Große Koalition einen neuen Versuch. Im Koalitionsvertrag wurde ein nicht zustimmungspflichtiges Präventionsgesetz angekündigt. Dieses sollte jedoch bereits 2014 kommen – nun ist dafür 2016 geplant.
Die SPD drängt auf einen großen Schritt nach vorn, doch der Gesetzentwurf ist in vielen Punkten eine Fortschreibung des letzten Gesetzentwurfs unter Schwarz-Gelb.
Der scheiterte bekanntlich kurz vor der Bundestagswahl 2013 im Bundesrat. Union und SPD müssen sich also zusammenraufen.
Im Kern will die Regierung mit ihrem Gesetzesvorhaben weg vom erhobenen Zeigefinger und Appellen an Einzelne zu mehr Bewegung und gesunder Ernährung.
Prävention soll als gesellschaftliche Aufgabe verankert werden und die Menschen in ihrer Lebenswelt erreichen, heißt es im Gesetzentwurf.
Für Präventionszwecke sollen insgesamt 500 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung gestellt werden - doppelt so viel wie bisher. Für die Finanzierung nehmen die Politiker bis jetzt allein Krankenkassen in die Pflicht.
Je Versicherten sind mindestens sieben Euro (aktuell gut drei Euro) vorgeschrieben. Zwei Euro davon sollen auf Leistungen zur betrieblichen Gesundheitsförderung entfallen. Ein weiterer Mindestbetrag von zwei Euro wird für die Prävention in Lebenswelten angesetzt.
Ärzte sollen Empfehlung geben
Die Ärzte spielen dabei eine wichtige Rolle. Sie "sind auch aufgrund ihres besonderen, vertrauensvollen Arzt-Patienten-Verhältnisses seit jeher besonders geeignet, eine primärpräventiv orientierte Beratung und Begleitung ihrer Patienten zu leisten", heißt es.
Sie sollen die Grundlage für die Entscheidung von Krankenkassen über die Gewährung von Leistungen zur primären Prävention liefern. Ärzte sollen künftig eine Präventionsempfehlung in Form einer ärztlichen Bescheinigung ausstellen.
Dadurch sollen Kursangebote der Kassen da ankommen, wo sie wirklich gebraucht werden. Ein zusätzliches Honorar will der Gesetzgeber dafür allerdings nicht veranschlagen. Ärzten entstehe kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand, schreibt der Gesetzgeber.
Die Gesundheitsuntersuchungs-Richtlinie des G-BA verpflichte Ärzte schließlich ohnehin, auf Angebot zur Gesundheitsförderung der Kasse aufmerksam zu machen. Noch nicht geklärt ist, wie die Kassen die Präventionsempfehlungen der Ärzte umsetzen müssen.
Für die Prävention in Lebenswelten will der Gesetzgeber die Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung (BZgA) federführend einspannen.
Die Institution soll Programme zur Prävention etwa an Schulen entwickeln und die Kassen beraten, wie sich spezielle Zielgruppen für Prävention erschließen lassen.
Dafür soll die BZgA etwa 35 Millionen Euro im Jahr von den Kassen erhalten. Die stehen diesem Vorhaben jedoch äußert kritisch gegenüber.
Die Koalition greife mit der Stärkung der BZgA in das Selbstorganisationsrecht der sozialen Selbstverwaltung ein, kommentiert der Verband der Betriebskrankenkassen. Dies ist nicht der einzige Kritikpunkt der Kassen.
Auch auch andere Sozialversicherungsträger, Länder und Kommunen müssten im Finanzierungskonzept mit einbezogen werden, fordern die Kassen.
KBV: Gesetz greift zu kurz
Vertragsärzte diagnostizieren dem Gesetz indes, dass es zu kurz greife: Primärpräventive Leistungen würden als Satzungsleistungen eingestuft.
Es stehe also im Ermessen der Krankenkasse, wie diese Leistungen aussehen, betont die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) in einer Stellungnahme zum Gesetz.
Die Kassen könnten die Leistungen auch rein zu Marketingzwecken nutzen, heißt es. Zudem würden die Ärzte nicht genügend Gestaltungsspielraum in Sachen Gesundheitsförderung erhalten.
Über Strategie und Ziele von Prävention sollen Ärzte laut Gesetzesentwurf über ein Präventionsforum, das von der Bundesvereinigung Prävention organisiert werden soll, unterrichtet werden.
Als Gestalter sind Bund, Länder sowie Spitzenorganisationen der GKV und PKV- wie auch der Pflegekassen vorgesehen.
Das nicht zustimmungspflichtige Gesetz wurde am Mittwoch im Kabinett verabschiedet und soll - nach der parlamentarischen Beratung im kommenden Jahr - Anfang 2016 in Kraft treten.