Streit um Frühchen: Qualität oder Mindestzahl
Wie unsinnig der Streit um Mindestzahlen bei der medizinischen Versorgung von Frühgeborenen ist, wird in Schleswig-Holstein offenkundig.
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30 Frühgeburten pro Jahr - diese Menge wollte der Bundesausschuss der Perinatalmedizin vorschreiben.
© v. Erichsen / dpa
ITZEHOE. Geringe Fallzahlen in Perinatalzentren sind bundesweit umstritten. Kaum berücksichtigt wird in der Diskussion, dass viele Kliniken die Zeit der Entbindung erfolgreich nach hinten verschieben.
"Wir kämpfen um jeden Tag, den das Baby im Bauch der Mutter bleibt", sagt Dr. Uwe Heilenkötter. Der Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe im Medizinischen Zentrum Itzehoe verweist auf die damit steigende Überlebenswahrscheinlichkeit von Frühchen.
Nach seinen Angaben hat die Klinik im holsteinischen Itzehoe dabei in den vergangenen Jahren erhebliche Fortschritte erzielt. Daten dazu gibt es bislang keine, obwohl diese aus Sicht Heilenkötters erforderlich wären.
Denn Einrichtungen wie Itzehoe mussten zuletzt befürchten, dass sie für ihre medizinischen Erfolge ökonomisch sogar bestraft werden.
Hintergrund ist der vorerst ausgesetzte Beschluss des GBA, die Mindestmengen für Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht von unter 1250 Gramm von 14 auf 30 zu erhöhen. In Schleswig-Holstein hätte eine Umsetzung dieses Beschlusses bedeutet, dass die Frühchen-Behandlung nur noch in Kiel und Lübeck möglich wäre.
Die anderen Perinatalzentren in Flensburg, Heide und Itzehoe haben zwar inzwischen vom Kieler Gesundheitsministerium eine Bestandsgarantie erhalten.
Doch aus Sicht der Verantwortlichen in Itzehoe sollte bei der Bestimmung der Mindestmengen neben der wohnortnahen Versorgung berücksichtigt werden, dass die geringen Fallzahlen auch auf dem Fortschritt in den betroffenen Zentren beruhen.
Je erfolgreicher die Ärzte Frühgeburten vermeiden, desto geringer die Fallzahlen. Ohne diese Erfolge würde die Zahl der Frühchen in Itzehoe mit jährlich rund 15 höher ausfallen.
Das ökonomische Interesse der Kliniken, den Status als Perinatalzentrum Level eins zu behalten, ist aus Sicht von Itzehoes Verwaltungschef Bernhard Ziegler zu einseitig diskutiert worden. Den gezahlten Pauschalen stehen hohe Investitionen und Personalkosten in einem Drei-Schicht-Betrieb gegenüber.
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