Verbände fordern mehr Unterstützung durch Politik
Suizidprävention: Bundestag darf nach Beschluss nicht finanziell knausern
Die Politik will die Suizidprävention ausbauen. Verbände mahnen mit Blick auf den Haushalt, dafür auch genügend Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Bei Konzepten allein dürfe es nicht bleiben.
Veröffentlicht:Berlin. Die Stärkung der Suizidprävention muss auch eine stärkere staatliche Finanzierung nach sich ziehen. Das forderten Verbände im Vorfeld des Welttags der Suizidprävention am 10. September. Der Aufbau bundesweiter Angebote zur Suizidprävention dürfe nicht an den Finanzen scheitern, sagte Reinhard Lindner, Leiter des Nationalen Suizidpräventionsprogramms (NaSpro), am Dienstag in Kassel.
Der Beschluss des Bundestages, die Suizidprävention zu stärken, sowie die Mitteilung des Bundesgesundheitsministeriums, die Arbeit an einer Nationalen Strategie begonnen zu haben, werde begrüßt. „Es darf aber nicht bei Konzepten bleiben“, mahnte Lindner. Die Prävention müsse finanziell auch ausreichend ausgestattet werden. Bestehende Angebote dürften aus finanziellen Gründen nicht geschwächt werden, sagte Lindner mit Blick auf die Beratungen zum aktuellen Haushalt. Der Bundestag habe nach seinem Beschluss nun dafür zu sorgen, „das die nötigen Mittel zur Verfügung gestellt werden“.
Förderung für NaSpro auf der Kippe
Im derzeitigen Haushalt seien für den nationalen Präventionsplan rund 800.000 Euro eingeplant. Das Geld sei allerdings für alle möglichen Präventionsmaßnahmen vorgesehen und zudem schon „verplant“. Der Bund müsse hier sein finanzielles Engagement deutlich steigern, in anderen Ländern beliefen sich die Summen für Suizidprävention auf zwei- bis dreistellige Millionensummen, sagte Lindner. Er wies darauf hin, dass die NaSpro ab April 2024 „wahrscheinlich“ keine Förderung mehr bekomme.
Flächendeckende Versorgung gebe es bislang nur im Bereich der Psychiatrie, sagte der Sprecher der Deutschen Akademie für Suizidprävention, Georg Fiedler. Große Gruppen von Gefährdeten würden davon jedoch nicht erreicht: beispielsweise Menschen in Lebenskrisen, die keine psychiatrische Diagnose hätten, aber auch diejenigen, die keinen Psychiater aufsuchen wollten.
Hilfen häufig privat finanziert
Zahlreiche bestehende Angebote, darunter die kirchlich finanzierte Telefonseelsorge, würden privat getragen, fügte Fiedler hinzu. „Das ist ein Problem, wenn wir Suizidprävention als gesamtgesellschaftliche Aufgabe begreifen.“
Zudem stoßen diese Angebote nach Worten von Stefan Schumacher von der Telefonseelsorge Hagen an die Grenze ihrer Kapazitäten. Bundesweit gebe es bei der Telefonseelsorge täglich 300 Kontakte rund um das Thema Selbsttötung; im Jahr 2022 entsprach dies etwa acht Prozent der Telefonate, fast 40 Prozent der E-Mails und 27 Prozent der Chats. Dabei brauche es niederschwellige Angebote, mahnte die Vizepräsidentin der Bundesärztekammer, Dr. Ellen Lundershausen: „Alles hängt an persönlicher Kommunikation.“
Angebote bekannter machen
Nötig sei eine zentrale Informations- und Koordinationsstelle, sagte NaSpro-Leiterin Barbara Schneider. Sie müsse Menschen mit Suizidgedanken ebenso in den Blick nehmen wie Angehörige von Betroffenen und Hinterbliebene - aber auch Personen aus ganz anderen Berufsgruppen: „Jeder sollte Grundfertigkeiten im Umgang mit Suizidalität haben.“ Apotheker, Frisörinnen oder Wirte, die viel mit Menschen in Kontakt seien, könnten mit entsprechenden Kompetenzen zur Vorbeugung beitragen.
Auch zu Hospiz- und Palliativversorgung hätten nicht alle Zugang, bemängelte die Medizinerin Claudia Bausewein. Dies hänge stark von der jeweiligen Erkrankungen ab, zudem seien viele Menschen nicht ausreichend informiert. „Da scheint der Schritt zum assistierten Suizid manchmal näher“, warnte die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin. (juk/KNA)