Live aus London

Tag 1: Drei Stunden auf die Verlegung warten

Unser Korrespondent Arndt Striegler liegt als Patient im St. Thomas Hospital - und erlebt das britische NHS-System am eigenen Leib. In unserem Blog berichtet er live vom Krankenbett.

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Vom Krankenbett aus berichtet unser Großbritannien-Korrespondent Arndt Striegler von seinem Klinikalltag als Patient.

Vom Krankenbett aus berichtet unser Großbritannien-Korrespondent Arndt Striegler von seinem Klinikalltag als Patient.

© Arndt Striegler

Eigentlich sollte hier zu lesen sein, wie der NHS durch immer neue gesundheitspolitische Verrenkungen und Manipulationen der Regierung Cameron weltweit zum abschreckenden Beispiel einer staatlichen Gesundheitsfürsorge wird.

Doch das dreistündige Warten, um vom 1. Stock des Londoner St. Thomas Hospitals in den 2. Stock verlegt zu werden, scheint ein anderes, ebenfalls sehr englisches Problem wichtiger erscheinen - zumindest derzeit.

Denn ich bin der auf gepackten grünen NHS-Plastiktüten wartende Patient...ein Stockwerk höher. Drei Stunden!

Bettenblockade und Bürokratie

Thema ist: die mangelhafte interne Organisation und Umstandskrämerei innerhalb des St. Thomas Hospital im Zentrum Londons. Wohl bemerkt: Ich bin froh, dass ich hier liege. St. Thomas hat Weltruf. Und die fachmedizinische Expertise ist Weltklasse. Auch und gerade für einen Normalbürger wie mich. Ohne riesiges Vermögen.

Ich lese die heutige "Times". Verkürzt die Wartezeit. Und lese: "Bettenblockade wird den NHS in den kommenden fünf Jahren rund 3,3 Milliarden Pfund kosten". Ich kalkuliere: 3.3 Milliarden Pfund sind über 5 Milliarden Euro. Eine Milliarde pro Jahr! Weil Patienten wie ich Betten blockieren, die sie nicht länger brauchen, weil ein Stockwerk höher nicht etwa Riesenandrang herrscht. Nein, weil ein Stockwerk höher so viele Formulare ausgefüllt und Boxen getickt werden müssen, dass es oftmals einfach nicht zum Transfer kommt.

Seit 1948 fast keine Rechnungen mehr verschickt

Ich denke: Vielleicht ist ja der wahre Grund, warum in England seit 1948 keine Rechnungen mehr für die meisten Arztbesuche und Krankenhausbehandlungen verschickt werden , nicht (nur) die politische Entscheidung, fair und gerecht und alles was gut ist zu sein und ein für alle gleich zugängliches Gesundheitswesen bereitzustellen, finanziert zu 90 Prozent aus allgemeinen Steuermitteln. Vielleicht wussten schon die NHS- Gründungsväter vor fast 70 Jahren um die Inkompetenzen ihrer Landsleute auf bürokratischer Ebene. Gott sei Dank sind meine Kontaktpersonen auch auf meiner neuen Station (mit Blick auf Big Ben) von jetzt an erstmal wieder nur Ärzte und Pfleger...und die sind Klasse!

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Kommentare
Michael Stange 04.03.201610:30 Uhr

Real world in deutschen Kliniken

Der arme Herr Striegler hat aber offenbar die Realität in deutschen Kliniken noch nicht erlebt-gut für ihn.Da kann man seinen Blog 1 nur mild belächeln

Bernhard Behrens 03.03.201616:22 Uhr

Nicht nur in London wartet man drei Stunden

Hierzu kann ich aus deutscher Sicht auch etwas beitragen. Ich hatte einen lange vereinbarten Termin für eine OP in der Berliner Charité. Als ich pünktlich um 8 h erschien, hieß es, man hätte kein freies
Bett für mich. Ich möge doch im Wartebereich Platz nehmen, während man versuchen wird, für mich ein freies Bett zu finden. Das war dann nach – wie in London – drei Stunden um 11 h gefunden, wenn auch auf der Gynäkologie. Und das Ganze als Privatpatient.

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